Hannover (dpa/lni). Mit freiwilliger Mehrarbeit das Gehalt aufbessern? Das hatte Niedersachsens Wirtschaftsminister Althusmann vorgeschlagen. Sein SPD-Kabinettskollege Lies hat eine eindeutige Meinung dazu. Und verweist darauf, wie zahlreiche Betriebe mit Überstunden umgehen.

Niedersachsens SPD-Vize Olaf Lies hat einen CDU-Vorschlag zu freiwilliger Mehrarbeit in manchen Branchen zurückgewiesen. Dieser zeuge von «grober Unkenntnis über die Realität auf dem deutschen Arbeitsmarkt», sagte Lies, der auch Umweltminister ist, am Freitag in Hannover. 2021 hätten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland insgesamt 857 Millionen unbezahlte Überstunden angehäuft. «Die meisten Betriebe zahlen Überstunden nämlich nicht aus - schon gar nicht in wirtschaftlich angespannten Zeiten wie diesen.»

Zuvor hatte Landeswirtschaftsminister Bernd Althusmann wegen der hohen Inflation angeregt, zu prüfen, ob freiwillige Mehrarbeit eine Möglichkeit für ein höheres Einkommen sein könne. «Ich finde diese Idee interessant, denn an Arbeit mangelt es in einigen Bereichen nicht», sagte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl. In den Branchen, in denen ein entsprechendes Arbeitsvolumen vorhanden sei, könne freiwillige Mehrarbeit für einen begrenzten Zeitraum dazu beitragen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Geld in der Tasche hätten.

Lies kritisierte, freiwillig bezahlte Mehrarbeit «würde die Folgen der Rezession einseitig auf die Beschäftigten abwälzen, die durch dünne Personaldecken ohnehin an der Belastungsgrenze arbeiten». Zudem öffne das Konzept Tür und Tor, die Wochenarbeitszeit wieder dauerhaft zu erhöhen. Das könne nicht das Ziel sein.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund in Niedersachsen lehnte den Vorschlag des Wirtschaftsministers ab. Man könne «sich nur verwundert die Augen reiben», meinte DGB-Landeschef Mehrdad Payandeh. Schon heute seien viele Beschäftigte bei der Arbeit am Limit. Sie bräuchten mehr Freizeit, um sich von der Arbeitsbelastung zu erholen.

«Der Ruf nach weiterer Mehrarbeit geht komplett an der Lebensrealität der Menschen vorbei und ist völlig aus der Zeit gefallen. Der Trend geht eher zu einer Arbeitszeitverkürzung», sagte Payandeh. Langfristig könnten nur höhere Entgelte und Unterstützung von Menschen ohne Arbeit gegen höhere Lebenshaltungskosten helfen.