Osnabrück. Es ist Sommer, es gibt so gut wie keine Corona-Einschränkungen, in den Städten drängeln sich die Menschen. Aus Sicht der Kultur- und Veranstaltungsbranche ist nur vordergründig alles gut.

Trotz des Wegfalls der meisten Corona-Auflagen im öffentlichen Leben spürt die Veranstaltungsbranche nach wie vor die Auswirkungen der Pandemie. "In der Branche gibt es ein geflügeltes Wort: Die Veranstaltungsszene leidet unter Long Covid", sagte der Musiker und Osnabrücker Nachtbürgermeister Jakob Lübke der Deutschen Presse-Agentur dpa. Als Nachtbürgermeister für die Osnabrücker Stadtmarketing-Gesellschaft soll er helfen, die kreative Szene in der Stadt weiterzuentwickeln, soll Ansprechpartner sein, Akteure miteinander vernetzen und eine Schnittstelle zur Stadt sein.

Nach außen hin sehe alles wunderbar aus, es gebe keine Kontaktbeschränkungen mehr, die Festivals fänden statt und jeder poste Fotos von den Touren. Der Eindruck sei, dass es eine riesige Auswahl an Kulturveranstaltungen gebe. Tatsächlich sei die Lage aber schwierig, sagte Lübke.

Ein Problem sei, dass es derzeit so viele Nachholkonzerte gebe, dass fast schon ein Überangebot herrsche. "Die Branche konkurriert gerade mit sich selber." Für die ganz großen Acts sei es kein Problem, aber für viele nicht so bekannte Künstler und den Nachwuchs sei es sehr schwierig, überhaupt Auftrittstermine zu bekommen. "Es gibt schon einen Kampf um die Besuchergruppen."

Das Thema Personal- und Fachkräftemangel habe die Branche ebenfalls voll erwischt. "Das wird besonders deutlich bei Technikern oder Mitarbeitern, die sehr spezialisierte Tätigkeiten haben", sagte Lübke. Aber auch Equipment sei knapp - neues zu bekommen, sei derzeit kaum möglich, vorhandenes sei oft lange ausgeliehen.

"Die Branche spürt auch die hohen Corona-Infektionszahlen", nannte Lübke eine weitere Schwierigkeit. Im Moment müsse irgendwo immer jemand aus Krankheitsgründen ersetzt werden, seien es Musiker, Tontechniker oder Tourmanager.

Hinzu kämen die Folgen des Ukraine-Krieges in Form drastisch gestiegener Kosten. Das spürten die Musiker, weil zum Beispiel Reisekosten extrem gestiegen seien. Aber es sei auch zu spüren, dass das Publikum sehr zurückhaltend sei, was den Kauf von Karten angehe. Das wiederum habe zu einer großen Verunsicherung unter den Veranstaltern geführt. "Inzwischen ist es oft so, dass man zwei Wochen vor einem Konzert noch nicht weiß, wie gut es besucht sein wird", sagte Lübke.

Der Blick auf den Herbst verstärke die Sorgen noch. Keiner wisse, ob es nicht wieder Einschränkungen bei Veranstaltungen gebe. Die Folge: In vielen Verträgen gebe es Sonderkündigungsklauseln, etwa für den Fall, dass Maskenpflicht oder andere Einschränkungen herrschten. "Das macht es eigentlich unmöglich, bereits für Herbst und Winter zu planen", sagte Lübke.

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