Berlin.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, Gotteslästerung vorgeworfen. "Mich empört, wenn der Patriarch von Moskau einen Angriffskrieg als gottgewolltes Mittel darstellt, um seine eigene Auffassung des Christentums und seine Sicht der Geschichte durchzusetzen", sagte Kurschus am Mittwochabend in einer Rede zum traditionellen Johannisempfang der EKD in Berlin. "Gott in dieser Weise vor den eigenen Karren zu spannen, halte ich für Gotteslästerung."

Umgekehrt warnte Kurschus aber auch vor einer Idealisierung der Ukraine. Es sei Skepsis geboten, "wenn die Verteidigung der Ukraine pauschal als Verteidigung westlicher Werte idealisiert" werde, sagte Kurschus nach vorab verbreitetem Redetext. "Auch hier wittere ich eine geschichtstheologische Überhöhung des Krieges, die mir suspekt ist." Es stimme zwar, dass die Verteidigung von Freiheit und Recht einen engagierten Streit wert sei. Damit dürfe aber keine hasserfüllte Abwertung derer, die anders dächten, verbunden sein. "Und allemal muss sich unsere Sprache freihalten von Dämonisierungen und Entmenschlichungen. Niemand wird zum Heiligen, weil er das eigene Leben, die eigene Freiheit und die seiner Lieben verteidigt. Und es wird auch niemand zum Teufel, der - verbohrt und verführt, machtverstrickt und verirrt, dumm und in Böses verliebt - über die Freiheit, das Recht und das Leben anderer herfällt. Er bleibt auch dann noch Mensch."

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