Hannover/Berlin. Rasche Unabhängigkeit von Russland contra ökologische Risiken - diese Abwägung muss die Politik bei der Errichtung von Importterminals für verflüssigtes Erdgas treffen. Die gesetzlichen Grundlagen für mehr Tempo sind nun da. Tragen sie bis zur Energiewende?

Nach der Zustimmung des Bundesrats zu den beschleunigten Genehmigungsverfahren für Flüssigerdgas-Terminals will Umweltminister Olaf Lies bei den Planungen in Wilhelmshaven und Stade keine Zeit verlieren. Der von vielen Seiten befürwortete, aber vor allem von Umweltverbänden kritisierte Beschluss des Länderkammer sei "ein wichtiger Baustein, damit wir schon in diesem Winter ein erstes schwimmendes LNG-Terminal fertig am Kai vertäut und angeschlossen ans deutsche Gasnetz einsatzbereit haben", sagte der SPD-Politiker.

Mit der Entscheidung vom Freitag soll das Tempo der oft langwierigen Bauprüfungen erhöht werden - manche Schritte könnten gar komplett wegfallen. So will die Politik sicherstellen, dass in Deutschland möglichst bald unter hohem Druck verflüssigtes Erdgas (LNG) die bisherigen Lieferungen von Pipelinegas aus Russland ersetzen kann.

Der niedersächsische Umwelt- und Energieminister hat vorerst drei konkrete Anlagen im Blick, die zunächst auf Plattformen im Wasser errichtet werden sollen, um etwa ab dem Jahresende LNG aufzunehmen und es anschließend wieder in den gasförmigen Zustand zurück zu wandeln. Zwei davon sollen in Wilhelmshaven entstehen, mindestens eine weitere in Stade. Das neue Bundesgesetz helfe, diese "zügig zu realisieren". Für einen vierten Standort, bei dem der Containerhafen JadeWeserPort ein Kandidat war, werde aus Platzgründen eine Alternative gesucht.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte Verständnis für die Bedenken von Umweltschützern wegen möglicher Belastungen für Meerestiere und marine Ökosysteme gezeigt - jedoch auch vor juristischen Schritten gegen die Bauprojekte gewarnt. "Im Zweifelsfall bringt uns eure Klage in größere Abhängigkeit von Putin", sagte er Anfang Mai in Richtung der Deutschen Umwelthilfe.

Am Freitag wollte sich der Emir Katars, Tamim Bin Hamad Al-Thani, mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin treffen. Habeck hatte zuvor den LNG-Großexporteur besucht. Bei einer Reise von Ministerpräsident Stephan Weil nach Doha war LNG schon Ende 2019 Thema gewesen, damals hatten sich Ideen für ein niedersächsisches Terminal und katarische Lieferungen aber auch aus Kostengründen noch nicht durchgesetzt.

Lies schätzt, dass die in Niedersachsen geplanten LNG-Terminals in längerer Frist die deutschen Gasimporte aus Russland vollständig ersetzen könnten. Er hofft, dass das LNG-Beschleunigungsgesetz auch Vorbild für Verfahren zur schnelleren Umsetzung der Energiewende sein kann - der Ausbau der Wind- und Solarenergie sowie der Stromnetze wird ebenfalls durch komplizierte Prozesse ausgebremst. Aus dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hieß es, das öffentliche Interesse an einer LNG-Versorgung sei überragend. Aber deren Anbindung ans deutsche Gasnetz müsse ebenso rasch vorangehen.

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