Bremerhaven. Amokalarm während der Abiturnachprüfungen: Ein Mann drang am Donnerstag mit einer Schusswaffe in ein Bremerhavener Gymnasium ein und verletzte eine Mitarbeiterin. Auf die Entwarnung mussten die 200 Schülerinnen und Schüler lange warten.

Gegen 13.30 Uhr war der Schrecken für die rund 200 Schüler und die Lehrkräfte der Oberstufe des Bremerhavener Lloyd-Gymnasiums endlich vorbei. Nach rund vier Stunden Ausharren in verschlossenen Klassenräumen können sie am Donnerstagmittag endlich die Schule verlassen. Einige lachen, andere haben verweinte Augen. "Ich habe bis eben panische Angst gehabt", sagt ein 16-Jähriger. Erst jetzt, wieder in Freiheit, spüre er Erleichterung.

Es war gegen 9.15 Uhr, als ein laut Polizei 21 Jahre alter Mann mit einer Schusswaffe in das Schulgebäude im Stadtteil Lehe eindrang und eine Mitarbeiterin damit schwer verletzte. Die Frau wurde ins Krankenhaus gebracht, wie eine Polizeisprecherin sagte. Welche Waffe der Mann benutzte, sagte sie nicht. Er wurde festgenommen. Zum Motiv seien noch keine Aussagen möglich, so die Sprecherin.

Nach der Tat wurde ein Notfallplan der Schule ausgelöst. Die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte schlossen sich in den Klassenzimmern ein, wo sie ausharrten, bis die Polizei Entwarnung gab.

An dem Tag standen Abiturnachprüfungen an, deshalb sei die Schule relativ leer gewesen, sagte Bremerhavens Schuldezernent Michael Frost (parteilos). Normalerweise gehen auf den Oberstufenzweig des Lloyd-Gymnasiums über 500 Schülerinnen und Schüler.

Der 16-jährige Schüler, der von seinen Erlebnissen erzählt, besucht die 10. Klasse. Er habe gerade Kunst gehabt, als über die Lautsprecher der Codesatz für einen Amoklauf an der Schule mehrfach durchgesagt wurde. "Das war ein Schock für mich", sagte er. Die Lehrerin habe die Tür verschlossen. Erst habe sie angefangen zu weinen, dann einige Mitschüler. Alle hätten sich auf den Boden gelegt. "Ich saß zwei Stunden unter dem Tisch", sagte der Schüler.

Derweil durchsuchten Spezialeinsatzkräfte der Polizei das Gebäude, um sicherzustellen, dass keine weitere Gefahr bestand. Für Eltern der Schülerinnen und Schüler richtete der Magistrat der Stadt Bremerhaven eine Hotline ein. Das Gelände der Schule wurde nach der Tat großräumig abgesperrt. Neben Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten waren auch Seelsorger und Schulpsychologen vor Ort, um die Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte in Empfang zu nehmen.

In einem kleinen Park vor der Schule warteten auch zahlreiche Eltern auf ihre Kinder. Hagen Rösler hatte von einem Kollegen von der Tat erfahren. "Ich bin sofort in Panik losgerast", erzählte er. Als er dann die Polizeiwagen gesehen habe, habe er weiche Knie bekommen. Schließlich habe er seinen Sohn aber telefonisch erreichen können. "Er hat mir gesagt, dass sie in Sicherheit seien. Er klang ruhig und gelassen", sagte der Vater.

"Das ist das schlimmstmögliche Ereignis, das passieren kann", sagte Schuldezernent Frost. "So etwas ist überall möglich, das bestätigt sich heute." Die Schule sei aber sehr gut auf einen solchen Fall vorbereitet gewesen. "Wenn es heute eine gute Nachricht gibt, dann ist es diese", betonte Frost.

Den Schülerinnen und Schülern sei es freigestellt, ob sie am Freitag zur Schule kommen. "Unterricht wird es nicht geben. Aber wir bieten Gesprächsmöglichkeiten an, auch für die Eltern", sagte Frost.

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