Bremen. Im zweiten Prozess gegen den Bremer Pfarrer Latzel sind die juristischen Fronten unverändert: Die Staatsanwaltschaft sieht ihn als Volksverhetzer, die Verteidigung warnt vor einem Maulkorb für einen bibeltreuen Christen.

Der wegen Volksverhetzung verurteilte Bremer Pastor Olaf Latzel soll nach Forderung der Staatsanwaltschaft auch im Berufungsverfahren schuldig gesprochen werden. Er habe mit hetzerischen Äußerungen über Homosexuelle "unmittelbar in die Menschenwürde einzelner Menschen eingegriffen", sagte die Vertreterin der Anklage am Montag in ihrem Plädoyer. Das Strafverfahren gegen den konservativen Geistlichen der Bremer Gemeinde St. Martini hat weit über die Hansestadt hinaus Aufsehen erregt. Ein Urteil ist für kommenden Freitag (20.5.) angesetzt (AZ 51 Ns 225 Js 26577/20).

Wie im ersten Verfahren forderte die Verteidigung einen Freispruch für den 54-jährigen Geistlichen. Latzel war im November 2020 vom Amtsgericht Bremen wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt worden.

Ein Jahr zuvor hatte sich Latzel bei einem Seminar zur christlichen Ehe abfällig über Homosexuelle und über Gendertheorien geäußert. Er sprach von "Genderdreck", der gegen Gottes Schöpfung verstoße. Es fiel auch der Satz: "Überall laufen diese Verbrecher rum vom CSD (Christopher Street Day)". Ein Mitschnitt wurde im Frühjahr 2020 auf Youtube gestellt, aber nach Aufkommen von Kritik wieder gelöscht.

Er habe zwar eine entschiedene theologische Meinung zu Homosexualität, aber er lehne keine Person ab, sagte Latzel in seinem Schlusswort. "Ich wollte niemanden und werde niemanden als Mensch diskreditieren", betonte er. "Ich möchte nicht zu Unfrieden in unserem Vaterland beitragen, sondern zu Frieden."

Die Staatsanwältin hielt ihm trotzdem vor, dass seine Äußerungen den sozialen Frieden gefährdeten. In seinen Worten liege das Potenzial zu Gewalt gegen queere Menschen. "Zum öffentlichen Frieden gehört ein Mindestmaß an Toleranz", sagte sie. Die von Latzel in Anspruch genommene Religionsfreiheit finde ihre Grenzen in den Menschen- und Freiheitsrechten anderer.

Die Verteidigung gestand ein, dass Latzel mit seiner Bibelauffassung heutzutage in der Minderheit sei. Doch man müsse Menschen noch sagen können, was im biblischen Sinne Sünde sei. "Wenn man darauf nicht mehr hinweisen darf, ist die Glaubensfreiheit in Deutschland gestorben", sagte Anwalt Sascha Böttner. Die Äußerungen seien im geschlossenen Rahmen des Seminars vor Gleichgesinnten gefallen. Für eine Verurteilung wegen Volksverhetzung fehle es deshalb sowohl am Volk wie an der Hetze, sagte er.

In der liberal eingestellten Bremischen Evangelischen Kirche gibt es seit längerem Konflikte mit der Gemeinde St. Martini, in der sich konservative Christen um Latzel versammelt haben. Eine Abspaltung der Gemeinde soll aber möglichst vermieden werden. Wegen der Äußerungen läuft ein Disziplinarverfahren gegen den Pastor, das aber ruht, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.

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