Scheeßel. Ob Deichbrand, Hurricane oder M'era Luna: Zwei Jahre lang mussten Musikfans in der Pandemie auf Festivals verzichten. Für 2022 stehen die Zeichen laut Veranstaltern besser. Vorbild könnte zudem ein Modellversuch von der Nordseeküste aus dem vergangenen Jahr sein.

Trotz aktuell steigender Corona-Infektionszahlen laufen vielerorts in Niedersachsen die Vorbereitungen für die größeren Open-Air-Festivals in diesem Sommer. Nachdem in den vergangenen beiden Jahren große Festivals wie das Hurricane in Scheeßel, das Deichbrand bei Cuxhaven oder das M'era Luna bei Hildesheim wegen der Pandemie abgesagt wurden, sind die Veranstalter für 2022 zuversichtlich gestimmt. "Wir sind froh, dass wir gemeinsam mit unseren Künstlerinnen und Künstlern die große Mehrheit der versprochenen Shows endlich nachholen können", teilte Jonas Rohde, Sprecher des Festivalveranstalters FKP Scorpio, mit.

Eine Gefahr für die Sommer-Festivals sehen die Veranstalter angesichts der aktuell angespannten Corona-Lage nicht. "Die derzeit durch die Omikron-Variante steigenden Inzidenzen lassen keinerlei Rückschlüsse auf den Festivalsommer zu, dem wir mit Vorfreude und ausgesprochen optimistisch entgegenblicken", teilte Rohde mit. FKP Scorpio veranstaltet etwa das Hurricane und das M'era Luna. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre und Modellrechnungen zufolge sei davon auszugehen, dass das Infektionsgeschehen im Sommer stark rückläufig sein werde, "so dass wir keinen Zusammenhang zwischen der derzeitigen Lage und unseren Festivals sehen".

Ähnlich äußerten sich auch die Organisatoren des Deichbrand Festivals auf Anfrage. "Deshalb planen wir auf Hochtouren das nächste Deichbrand Festival und haben uns intern noch breiter für die nächste Festivaledition aufgestellt", teilte Sprecherin Lena Zielinski mit. Auf dem Flugfeld Nordholz bei Cuxhaven werden vom 21. bis 24. Juli ähnlich wie in den Vor-Pandemie-Jahren bis zu 60 000 Besucherinnen und Besucher erwartet. Dem Vorverkauf zufolge werde diese Zahl bereits in den nächsten Monaten erreicht sein, teilte Zielinski mit. Rund 100 Acts und DJs sind für die fünf Bühnen angekündigt - darunter als Headliner Kraftklub, Nightwish und Steve Aoki.

Zu einem der größten Festivals der Republik, dem Hurricane, erwarten die Veranstalter vom 17. bis 19. Juni knapp 80 000 Musikfans. Auf den Bühnen der Sandrennbahn Eichenring spielen dann etwa Seeed, Martin Garrix und The Killers. Wie jedes Jahr ist zeitgleich auch das Southside Festival in Neuhausen ob Eck in Baden-Württemberg terminiert, mit dem sich das Hurricane die Acts teilt.

Beim M'era Luna Festival mit Gothic, Rock, Metal und Wave-Musik vom 6. bis 7. August werden auf dem Flughafen Drispenstedt bei Hildesheim rund 25 000 Gäste erwartet. Als Acts sind etwa ASP ft. The Little Big Men und The Sisters of Mercy angekündigt. Das Festival A Summer’s Tale in Luhmühlen in der Lüneburger Heide dagegen, das zuletzt 2019 stattfand, pausiert laut dem Veranstalter weiterhin.

Wie genau mögliche Test- oder Schutzkonzepte bei den Festivals aussehen, ist laut den Veranstaltern noch nicht absehbar. Noch lägen die Festivaltermine dafür in zu weiter Ferne, teilte etwa Deichbrand-Sprecherin Zielinski mit. Eine Reduzierung der Gästezahlen kommt für die Festivalmacher jedoch nicht in Frage: "Zum einen haben alle Ticketkäufer ein Anrecht darauf, die bezahlte Leistung endlich in Anspruch nehmen zu können, zum anderen wäre ein Festival mit reduzierter Besucherzahl keinesfalls wirtschaftlich", teilte Rohde mit. In der Pandemie seien die Produktionskosten gestiegen, auch deshalb sei die Livebranche insgesamt darauf angewiesen, möglichst schnell in einen Normalbetrieb zurückzufinden.

Auf der Insel Norderney wird bereits an einer Neuauflage des zuletzt abgesagten White Sands Festivals am Pfingstwochenende Anfang Juni gearbeitet. Noch ist laut dem Staatsbad nicht gänzlich absehbar, ob das Festival nach den Corona-Regeln stattfinden darf. Sprecher Wolfgang Lübben zeigte sich aber zuversichtlich: "Es gibt eine große Sehnsucht nach Festivals", sagte er. Sollte das Festival wie üblich mit Beachvolleyball, Kitesurfen und Partys an den Start gehen, sei mit überdurchschnittlich vielen Gästen zu rechnen. In Hochzeiten vor der Pandemie seien bis zu 50 000 Gäste auf die Insel gekommen - diese Zahl könnte 2022 nun laut Lübben wieder erreicht werden.

Auch im Nordseebad Dangast stehen die Zeichen für ein beliebtes Open-Air gut: "Wir gehen davon aus, dass das Watt en Schlick wie geplant stattfinden kann", sagte Festivalsprecherin Sofie Buchwald. Zu dem dreitägigen Event Ende Juli mit Live-Musik, Tanzen und Schlickschlittenrennen im Watt vor Dangast werden wie bereits 2021 bis zu 6000 Gäste erwartet. Obwohl die Live-Acts noch gar nicht offiziell bekannt sind, sind die Dauerkarten bereits ausverkauft.

Im vergangenen Jahr war das Festival mit einem umfassenden Hygienekonzept als Modellprojekt des Landes Niedersachsen unter wissenschaftlicher Begleitung an den Start gegangen. Gäste mussten sich täglich testen lassen - auch Genesene und Geimpfte. Es gab Teststationen auf Campingplätzen und vor dem Einlass.

Die Ergebnisse des Modellversuchs hätten das Festivalteam in ihrem Vorhaben bestätigt, sagte Buchwald. "Man kann auch ein Festival gestalten in der Pandemie." Während des Festivals und auch bei freiwilligen Folgetests nach zwei Wochen sei kein Corona-Test positiv ausgefallen. Ob und welche Schutzkonzepte es dieses Jahr beim Watt en Schlick geben soll, ist laut den Veranstaltern noch nicht klar - sie wollen aber auf ihre Erfahrungen aus 2021 zurückgreifen.

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