Lüneburg. An die 40 Stichverletzungen schildert ein Rechtsmediziner zum Prozessauftakt in Lüneburg um den Tod einer 19-Jährigen. Das Opfer saß im Auto und versuchte vergeblich, sich zu wehren. Ihr angeklagter Freund will nun aussagen. Eine Trennung stand im Raum.

Der Vater verließ den Gerichtssaal, als ein Rechtsmediziner zum Prozessauftakt vor dem Lüneburger Landgericht die rund 40 Stichverletzungen der getöteten Tochter schilderte. Vor allem an Kopf und Hals sei die 19 Jahre alte Gymnasiastin mit einem 30 Zentimeter langen Küchenmesser massiv traktiert worden, sagte der Mediziner des UKE in Hamburg am Dienstag vor der Jugendkammer. Der 19 Jahre alte Angeklagte mit akkuratem schwarzen Kurzhaarschnitt, gekleidet in ein weißes Hemd, Jeans und Turnschuhe, saß meist mit gesenktem Kopf da und lauschte aufmerksam den erschütternden Ausführungen. Sein Anwalt kündigte an, der wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen Beschuldigte wolle am Donnerstag eine Erklärung abgeben.

Laut Anklageschrift hat der junge Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit die bei einem Gespräch in ihrem Auto ausgesprochene Trennung nicht akzeptieren und sie keinem anderen Mann gönnen wollen. Er soll ein Küchenmesser dabei gehabt haben. Aus Wut habe er ihr mehrere tödliche Stiche beigebracht. Vor allem die rechte Körperhälfte war stark verletzt, weil sie an dem Abend Mitte Januar auf der Fahrerseite saß. Detailliert schilderte der Mediziner am ersten Verhandlungstag die brutale Gewalteinwirkung mit der 19 cm langen Klinge des Küchenmessers. Die Schülerin habe einige Abwehrverletzungen an den Händen aufgewiesen, sie habe wohl versucht, ins Messer zu greifen. "Es hat ein dynamisches Kampfgeschehen gegeben", sagte der Rechtsmediziner.

Nicht ins Bild hätten extrem tiefe Pulsaderschnitte mit an einem Arm durchtrennten Sehnen gepasst, die nur wenig geblutet hätten. Dies spreche für eine postmortale Verletzung. Ein vorgetäuschter Suizidversuch sei nicht auszuschließen, sagte der Mediziner. Beweisen könne er es nicht, aber die langjährige Berufserfahrung weise ziemlich eindeutig in die Richtung.

Der Vater hatte seine Tochter, die kurz vor dem Abitur stand, am 18. Januar leblos im Auto auf einem privaten Parkplatz gefunden. Er hatte nach ihr gesucht, weil sie von ihrem Job in einem Lokal abends nicht nach Hause gekommen war. Vater, Mutter und Schwester treten als Nebenkläger auf. "Der Familie geht es schlecht", sagte ein Vertreter der Nebenklage. Die Opferschutzorganisation Weißer Ring habe sich sehr um die Angehörigen gekümmert.

Ein Polizist sagte aus, ein Abgleich der Handydaten der beiden 19-Jährigen habe ergeben, dass er sie spätabends von dem Lokal abgeholt und zum Parkplatz begleitet habe.

Die Kammer hat zunächst 13 Verhandlungstage anberaumt. Sie muss entscheiden, ob der Angeklagte nach Erwachsenenstrafrecht und damit möglicherweise zu lebenslanger Haft verurteilt werden kann. Wenn er allerdings eher als Heranwachsender beurteilt wird, lautet die Höchststrafe zehn Jahre, bei besonderer Schwere der Schuld 15 Jahre, wie ein Gerichtssprecher ausführte.

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