Hamburg. Nur wer charakterliche Lauterkeit hat, kann im moralischen Dilemma militärischer Entscheidungen das Richtige tun, sagt die Verteidigungsministerin vor dem Führungsnachwuchs. Erneut verurteilte sie mit scharfen Worten die Taten der Soldaten aus Munster in Litauen.

Nach dem massivem Fehlverhalten mehrerer Soldaten aus Munster hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Vorgesetzten der Bundeswehr dazu aufgerufen, erste Verteidigungslinie gegen Extremismus und Verfehlungen zu sein. "Ich appelliere an Sie alle: Schauen Sie genau hin, seien Sie konsequent, lassen Sie nichts durchgehen, und verschweigen Sie nichts", sagte die CDU-Politikerin an Freitag vor dem Offiziersnachwuchs der Führungsakademie in Hamburg. Erneut verurteilte sie mit scharfen Worten die Taten der Soldaten aus Munster in Litauen, die zur Rückverlegung eines Panzergrenadierzugs aus der Nato-Mission "Enhanced Forward Presence" geführt hatten.

"Mit ihren Verfehlungen beschädigen sie den Einsatz und die Leistungen aller ihrer Kameradinnen und Kameraden und gefährden den guten Ruf unseres Landes", sagte die Ministerin in ihrer 3. Grundsatzrede. "Wir hören von sexueller Nötigung und von systematischem Mobbing, von Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Munition, wir hören von antisemitischen Äußerungen, von Liedern aus der Nazi-Zeit." Kramp-Karrenbauer sprach von besonders schwerwiegenden Verfehlungen "und sie werden mit aller Schärfe verfolgt und geahndet werden - bis hin zur Entfernung der verantwortlichen Personen aus der Bundeswehr".

Zu Recht würden jetzt Fragen gestellt, ob die Soldaten nicht ausreichend ausgebildet worden seien und was Vorgesetzte wussten, ob womöglich weggeschaut worden sei. Und ob die Soldaten aus anderen Fällen der vergangenen Monate nichts gelernt hätten. "Sie waren ausgebildet. Sie waren sensibilisiert worden. Und trotzdem haben sie sich so falsch verhalten", so Kramp-Karrenbauer.

In der sich schnell verändernden Welt und mit Blick auf das autoritäre Auftreten von Staaten wie China und Russland stehe die Bundeswehr vor neuen Herausforderungen, sagte Kramp-Karrenbauer. "Im kommenden Jahr, 2022, werden wir das erste Mal über 50 Milliarden Euro liegen. Traditionell ist der Verteidigungshaushalt der zweitgrößte Einzelposten im Bundeshaushalt", sagte sie. "Für viele Menschen ist das, in ihren eigenen Worten, "obszön" viel Geld." Angesichts der Aufgaben werde der Verteidigungsetat aber weiter steigen müssen.

An der Führungsakademie der Bundeswehr werden seit 1957 militärische Spitzenkräfte auf Aufgaben in den Streitkräften, der Nato, der EU und den Vereinten Nationen vorbereitet. Kramp-Karrenbauer rief zu Standhaftigkeit auch, insbesondere gegen Fälle von Extremismus. "In Fragen von Krieg und Frieden, bei Fragen existenzieller Not, gibt es fast immer nur mehr oder wenige schlechte Handlungsoptionen. Eine Ideallösung ist selten zu haben", sagte sie. "Wer in einer solchen Situation handlungsfähig bleiben will, der muss sich auch in der moralischen Grauzone entscheiden können. Gerade deswegen ist es so wichtig, dass die Truppe standfest ist. Nur wer Charakter hat, wer charakterliche Lauterkeit hat, der kann im harten moralischen Dilemma das Richtige tun."

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