Hannover.

Nach Einschätzung von Justizministerin Barbara Havliza (CDU) tritt Antisemitismus in Niedersachsen "zunehmend aggressiv und unverhohlen zutage". Neben den antisemitischen und anti-israelischen Kundgebungen in Zusammenhang mit der jüngsten Eskalation des Nahostkonflikts habe sich dies auch in der Corona-Pandemie gezeigt. "In deren Verlauf haben Verschwörungstheorien und anti-jüdische Stereotype starken Auftrieb erhalten", sagte Havliza am Freitag bei einer Debatte zum Kampf gegen Antisemitismus im niedersächsischen Landtag.

Antisemitische Hass-Delikte sollten künftig leichter verfolgt werden können, sagte die Ministerin weiter. Ihr Bestreben sei eine Null-Toleranz-Strategie. "Es kann nicht sein, dass die ganze Welt im Netz Videos mit antisemitischen Beleidigungen abrufen kann, aber unsere Staatsanwaltschaften nichts tun können, weil ein Strafantrag fehlt." Hier wolle bei der nächsten Justizministerkonferenz neue Impulse setzen.

Die FDP warf der Landesregierung vor, zu wenig für den Schutz jüdischer Einrichtungen zu tun. "Es ist bedenklich, dass wir uns 20 Monate nach dem Anschlag in Halle noch immer mit Sonntagsreden aufhalten", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Björn Försterling. Die Landesregierung müsse sicherstellen, dass die notwendigen Mittel für den baulichen Schutz jüdischer Einrichtungen spätestens im Doppelhaushalt 2022/23 hinterlegt würden. Innenminister Boris Pistorius (SPD) wies die Kritik zurück und verwies darauf, dass nach der jüngsten Eskalation des Nahostkonfliktes unter anderem sofortiger Objektschutz sichergestellt worden sei.

Die CDU forderte, auch den Antisemitismus von Einwanderern in den Blick zu nehmen. In Integrations- und Sprachkursen müsse verdeutlicht werden, dass jüdische Identität seit 1700 Jahren Teil Niedersachsens sei. Die Grünen wiesen darauf hin, dass antisemitische Vorurteile in allen Bevölkerungsgruppen und Parteien zu finden seien. Es sei falsch, die öffentlichen Debatte nur auf den "importierten Antisemitismus" zu lenken.

Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) betonte die wichtige Rolle von Schulen. "Antisemitismus darf nicht unter den Teppich gekehrt werden. Vielmehr sollten diese (Vorfälle) zum Anlass einer gemeinsamen Reflexion mit den Schülerinnen und Schülern dienen", sagte Tonne. Für die Schulen kündigte er zum neuen Schuljahr eine neue Broschüre zur Hilfestellung bei der Prävention an.

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