Lüneburg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Tourismusbeschränkung auf die Einwohner Niedersachsens gekippt. Ab sofort können somit Touristen von überall in Niedersachsen Urlaub machen. Weitere Lockerungen der Corona-Beschränkungen plant die Regierung ab Ende Mai.

Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Regelung des Bundeslandes, den Tourismus nach dem Corona-Lockdown zunächst nur für eigene Einwohner zu öffnen, außer Vollzug gesetzt. Ab sofort können damit Touristen von überall her sich für einen Urlaub in Niedersachsen einquartieren, wie das Gericht in einem unanfechtbaren Eilbeschluss am Dienstag entschied. Ungeachtet dessen fasst die Landesregierung weitere Lockerungen der Corona-Beschränkungen erst von Ende Mai an stufenweise ins Auge. Die Infektionslage verbessert sich nämlich zusehends.

HOFFNUNG FÜR TOURISMUS: Wenige Tage vor dem langen Pfingstwochenende kann die Tourismusbranche, die gegen die Beschränkung protestiert hatte, dank des aktuellen Gerichtsentscheids auf zusätzliche Gäste hoffen. Vor allem aus Nordrhein-Westfalen reisen über Pfingsten traditionell viele Gäste an die niedersächsische Nordseeküste. "Wir wünschen allen Gästen in Niedersachsen gute Erholung, bitten Sie aber weiterhin herzlich darum, sich und andere zu schützen und die geltenden Vorgaben zu beachten", erklärte das Gesundheitsministerium in Hannover nach dem Eilentscheid.

ARGUMENTATION DES GERICHTS: Aus Sicht des Gerichts trägt das bloße Verbot der Beherbergung auswärtiger Besucher wenig zur Eindämmung der Corona-Infektionslage bei. Tagestouristen aus anderen Ländern hätten auch vorher schon nach Niedersachsen kommen können. Es sei zweifelhaft, ob die sogenannte Landeskinderregelung angesichts des beschränkten Nutzens erforderlich ist. Die Kapazitätsbegrenzung für Hotels und Quartiere sowie umfangreiche Testpflichten für Gäste stellten ein milderes, aber ähnlich effektives Mittel zur Begrenzung neuer Infektionen dar.

UNGLEICHBEHANDLUNG: Außerdem, so das Gericht, führe das Verbot zu einer Ungleichbehandlung von Niedersachsen und Menschen aus anderen Bundesländern, die nicht gerechtfertigt sei. Denn einerseits dürften Gäste aus niedersächsischen Regionen mit einer hohen Inzidenz zu einem Urlaub anreisen, während dies Menschen aus Bundesländern mit geringer Inzidenz wie Hamburg oder Schleswig-Holstein verboten sei. Auf eine Ungleichbehandlung hatte auch der klagende Urlauber aus Nordrhein-Westfalen verwiesen.

AUFATMEN: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Niedersachsen zeigte sich "überglücklich" über die OVG-Entscheidung. Der Beschluss lasse die Hoffnung der niedersächsischen Hotellerie aufkeimen, jetzt noch einen Teil des verloren geglaubten Pfingstgeschäftes zurückholen zu können, sagte Dehoga-Präsident Detlef Schröder. Nach der aktuellen Corona-Verordnung des Landes hätten viele Gäste insbesondere aus Nordrhein-Westfalen enttäuscht ihre gebuchten Übernachtungen stornieren müssen. Die Hotellerie werde jetzt versuchen, diese enttäuschten Gäste über Pfingsten zurückzuholen.

WEITERE LOCKERUNGEN: Niedersachsen plant weitere Lockerungen der Corona-Beschränkungen stufenweise ab Ende Mai. In Erarbeitung sei bereits die neue Corona-Verordnung des Landes, die die weiteren Lockerungsschritte benennen solle, sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen. Grundlage ist die rückläufige Zahl von Neuinfektionen.

CORONA-LAGE: Die Sieben-Tage-Inzidenz sank im Landesdurchschnitt am Dienstag auf 56,2. "Insgesamt ist die Corona-Entwicklung vorsichtig positiv zu bewerten", sagte die Vize-Chefin des Corona-Krisenstabs der Landesregierung, Claudia Schröder. Auch in den Kliniken geht die Zahl der Corona-Patienten zurück, 207 Betroffene liegen aber noch immer auf der Intensivstation; 162 von ihnen müssen künstlich beatmet werden. "Hier haben wir immer noch eine sehr angespannte Situation."

INDISCHE VARIANTE: In Niedersachsen sind inzwischen vier Fälle der indischen Variante des Corona-Virus entdeckt worden - alle im Großraum Hannover. "Das zeigt, dass sich die Varianten global bewegen und nicht aufzuhalten sind", sagte Schröder. Das Auftreten der indischen Variante beobachte der Krisenstab intensiv mit dem Landesgesundheitsamtes. Die gewöhnlichen Corona-Vorsichtsmaßnahmen reichten aber aus.

IMPFKAMPAGNE: Inzwischen haben 38,6 Prozent der Niedersachsen eine Erstimpfung erhalten, 9,7 Prozent sind bereits vollständig geschützt. Im Moment laufen verstärkt Zweitimpfungen. Vom 7. Juni an wird die Priorisierung für Impfungen bei Haus- und Betriebsärzten aufgehoben. In den Impfzentren des Lands bleibt sie aber zunächst weiter bestehen, damit Impfwillige mit einem besonderen Schutzbedürfnis zügig an ihre Impfung kommen. 620 000 Menschen stehen derzeit auf der Warteliste für eine Impfung. Im Juni werden in den Impfzentren wöchentlich 235 000 Dosen erwartet, die Zahl der wöchentlichen Dosen in den Arztpraxen soll auf wöchentlich bis zu 700 000 ansteigen.

IMPFZENTREN: Die Impfzentren werden auf jeden Fall über den Sommer und möglicherweise auch über den 30. September hinaus in Betrieb gehalten, sagte Regierungssprecherin Pörksen. Vulnerable Gruppen müssten verlässlich mit Impfstoff versorgt werden, außerdem seien die Zentren eine Hilfe, sollten die Arztpraxen mit dem Verimpfen großer Mengen von Impfdosen nicht hinterherkommen.

KINDER IMPFEN: Niedersachsens CDU-Landesvorsitzender und Vize-Regierungschef Bernd Althusmann hat das schnelle Impfen von Kindern gegen das Coronavirus gefordert. "Ein Impfstoff für Kinder und Jugendliche soll bei uns spätestens im Juni zugelassen werden", sagte Althusmann. Dafür müsse jetzt eine Impfstrategie ausgearbeitet werden. "Auch Impfaktionen in Schulen sollten geprüft werden." Das Ziel müsse sein, dass möglichst viele junge Menschen nach den Ferien gegen Corona geschützt sind.

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