Bremen. Bestellungen liefen über verschlüsselte Handys. Mal waren es 50 Kilogramm Marihuana, mal 10 Kilogramm Kokain, wie entschlüsselte Daten zeigen. Die mutmaßlichen Dealer stehen jetzt vor Gericht. Es könnte aber sein, dass der Prozess noch mal neu beginnen muss.

Es ging um große Mengen von Drogen, viel Geld und ein relativ ausgetüfteltes Absprachesystem. Fünf Männer zwischen 28 und 42 Jahren stehen vor dem Bremer Landgericht, vier von ihnen sind in Untersuchungshaft. Die Liste der Vorwürfe gegen sie ist lang, die Staatsanwaltschaft brauchte rund eine Stunde für die Verlesung der Anklage. Die Deutschen und Türken verkauften Marihuana und Kokain, das sie zum Teil aus Spanien bezogen und in Achim-Uphusen bei Bremen zwischenlagerten.

Ob der am Dienstag begonnene Prozess planmäßig weiter läuft bleibt aber vorerst offen. Denn einer der Schöffen teilte mit, dass er möglicherweise befangen sei. Der Grund: Er kenne vier der fünf Angeklagten aus seiner Tätigkeit in einem Fitnessstudio. Das Gericht muss nun am nächsten Verhandlungstag am 9. März entscheiden, ob es den Schöffen für befangen hält. Wenn ja, fängt der Prozess von vorne an.

Die Angeklagten nutzten laut Staatsanwaltschfat für Absprachen untereinander sowie mit potenziellen Kunden sogenannte Encrochat-Geräte. Diese Krypto-Handys ermöglichten eine komplett verschlüsselte Kommunikation mit anderen Encrochat-Teilnehmern. Lange Zeit konnten sie nicht abgehört werden und waren deshalb im kriminellen Milieu verbreitet. Allerdings konnten die Daten schließlich in Frankreich in einem dort geführten Verfahren durch französische Ermittlungsbehörden erhoben und ausgewertet werden.

Die Besteller traten mit Namen wie "Explosive Sugar", "New Beta" oder "Mister Snow" auf. Ein 42-jähriger Angeklagter erhielt regelmäßig Marihuana-Lieferungen aus Spanien - einmal sogar palettenweise -, die dann in einem Lager in Achim-Uphusen abgestellt wurden. 150 Kilogramm oder mehr waren keine Seltenheit. Die Absprachen über Encrochat geben Auskunft über Preise, Reklamationen und Treffpunkte. Ein Kilogramm Kokain kostete 31 000 Euro, ein Kilogramm Marihuana 4900 bis 5400 Euro. Es gab Mengenrabatt und Verhandlungsspielraum.

Ein 29-jähriger Angeklagter war vor allem für Kurierfahrten zuständig; er bekam insgesamt 150 000 Euro für seine Dienste. Er ist als einziger nicht in U-Haft. Zwei 28 und 42 Jahre alte Angeklagten sollen durch ihre Taten dagegen hohe Beträge von rund 2,5 Millionen beziehungsweise 3,5 Millionen Euro erwirtschaftet haben. An vereinbarten Treffpunkten an Tankstellen oder Fast-Food-Filialen in Bremen wurden immer wieder hohe sechsstellige Beträge übergeben.

Neben Rauschgiftdelikten geht es auch um illegalen Waffenbesitz. Einer der Angeklagten hatte eine Waffe in einem Bankschließfach in Bremen versteckt. Für den Prozess, der wegen der Corona-Auflagen in der Messehalle 4 stattfindet, sind bis Mitte Juni über 20 Verhandlungstage angesetzt.

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