Braunschweig. Nach monatelangem Lockdown vermisst fast jeder das Ausgehen - ganz gleich ob Club, Kino oder Theater. Die Kulturszene liege im künstlichen Koma, beklagt Dirk Wöhler, Mitorganisator der #AlarmstufeRot-Proteste. Sind Schnelltests eine Lösung?

Der Präsident des Berufsverbands Discjockey, Dirk Wöhler, warnt vor einem Sterben der Veranstaltungsbranche, sollte nicht schnell ein Öffnungs-Szenario mit Antigentests realisiert werden. Die Branche sei tot, wenn gewartet werde, bis alle geimpft seien, betonte der 51-Jährige. Er war Anmelder von sechs Demonstrationen unter dem Motto #AlarmstufeRot, bei denen in Berlin Tausende Künstler und Veranstalter auf ihre prekäre Lage aufmerksam gemacht haben. "Du musst den Menschen Alternativen geben, sonst entstehen diese schwarzen Partys", betonte Wöhler, der seit seiner Jugend als DJ Musik auflegt. Künstler seien die Seele der Republik. "Wir vermissen das Weggehen und sehnen uns nach Berührung."

Theaterchefs und Veranstalter haben jüngst ein umfassendes Konzept vorgelegt, das in mehreren Stufen die Rückkehr von Zuschauern vorsieht. Ein solches Öffnungs-Szenario kann sich Wöhler gut vorstellen. So könnten sich Besucher eines Konzerts zum Beispiel drei Tage vorher per App mit einem Schnelltest-Nachweis anmelden. Denkbar wäre, sich dann bis zu dem Event zu isolieren, sagte der Eventmanager aus Braunschweig.

Als Präsident des Berufsverbands Discjockey setzt sich der 51-Jährige für eine Anerkennung des Berufsbilds durch die Industrie- und Handelskammer ein. Der Verband hat knapp 1000 Mitglieder. Nach Wöhlers Schätzung gibt es bundesweit etwa 6000 Discjockeys, die teils nebenberuflich Musik auflegen. Weil coronabedingt Geburtstagspartys, Hochzeitsfeiern oder Firmen-Events ausfallen, seien sie derzeit genauso wie Alleinunterhalter arbeitslos: "Die ganze Kulturbranche wurde in ein künstliches Koma versetzt, viele gehen insolvent, viele wandern ab und suchen sich neue Jobs."

Aktuell werden Wöhler zufolge auch die Veranstaltungen abgesagt, die 2020 pandemiebedingt um ein Jahr verschoben wurden. Mit Online-Partys oder gestreamten Konzerten verdiene keiner Geld, betonte der Verbandspräsident. Daher müsse der Staat seine Hilfen für die Kreativbranche aufstocken. "Wenn wir ins künstliche Koma gelegt werden, müssen wir es überleben können." Die Bundesregierung hat der Kultur- und Kreativbranche bereits ein Hilfspaket im Umfang von einer Milliarde Euro für den Neustart zugesagt.

Nach der Pandemie werde das Nachtleben anders sein als zuvor, ist Wöhler allerdings überzeugt. Das Ausgehverhalten werde sich ändern. "Dabei gab es schon vorher ein Club- und Discothekensterben."

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