Hannover. Viele Menschen freuen sich, wenn sie erben - aber nicht alle haben einen Erben. Dann fallen die Nachlässe in Niedersachsen an das Land. Manche Menschen wollen sogar, dass das Land erbt. Dabei geht es längst nicht immer um Geld.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist bekannt als Modelleisenbahn-Fan. Ob Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sich das auch vorstellen kann? Dann sollte der SPD-Politiker zugreifen, denn im Fundus des Landes könnte etwas für ihn sein: Zu den vielen Erbschaften, die das Land Niedersachsen erhält, zählt auch eine Märklin-Eisenbahnsammlung. Oder ein Raupenbagger. Eine Münzsammlung. Oder eine Sammlung von Werken argentinischer Künstler. Und diese Kunstwerke seien "kein Ramsch", betonte Ute Stallmeister, die Sprecherin Landesamtes für Bau und Liegenschaften.

Das Land erbt auch Autos, Lastwagen, Schiffe, Briefmarkensammlungen, Gemälde, Wohnungsinventar, Schmuck - und sogar lebende Tiere. Wer Interesse hat, kann zugreifen, denn das Landesamt bietet "bewegliche Vermögensgegenstände" über die Plattform www.zoll-auktion.de an. Die Bilder der argentinischen Künstler könnten via Kunstauktionsplattform an den Meistbietenden gehen. Kleintiere wie Kaninchen, Katze oder Hund versuche man vertrauten Menschen wie Nachbarn, Freunden oder Geschwistern zu geben, größere Tiere wie Pferde würden verkauft, Tiere unter Artenschutz gingen auch mal an einen Zoo: "Es wird alles getan, die Tiere artgerecht unterzubringen", sagte die Sprecherin.

Jedes Jahr bekommt das Land Niedersachsen eine Reihe von Erbschaften von seinen Einwohnern. 2019 war deren Wert mit 10,72 Millionen Euro bei 1992 Erbschaften besonders hoch. Damit verdoppelten sich die Einnahmen beinahe - 2018 waren es noch 5,55 Millionen Euro. Für 2020 hatte das Landesamt einen Rückgang erwartet. Aber der fiel gering aus: Tatsächlich waren es im vergangenen Jahr 1824 Erbschaften im Wert von 9,95 Millionen Euro. Gründe seien, wie ein Jahr zuvor, Einnahmen aus testamentarischen Erbschaften und dem "Verkauf werthaltiger Liegenschaften", erklärte Stallmeister.

2017 habe es 1964 Erbschaften im Wert von 5,99 Millionen Euro gegeben, im Jahr davor 1740 Erbschaften mit einem Erlös von 7,14 Millionen Euro. Wie kommt es dazu? Das Land erbe dann, wenn etwa Menschen sterben, die keine Familie, keine nahen Angehörigen mehr hätten, sagte Stallmeister. Oder Angehörige schlügen Nachlässe aus, weil der oder die Verstorbene möglicherweise überschuldet war - sie scheuten das Risiko, plötzlich zahlen zu müssen.

Grundsätzlich könne das Land mit dem Erbe "machen, was wir wollen", sagte Stallmeister. Das meiste aber werde verkauft. Erbe das Land aber beispielsweise ein Auto, das sich für verdeckte Ermittlungen eigne, gehe das an die Polizei. Oder: Erbt das Land Grundstücke, etwa in Moorgebieten, blieben diese im Landesbesitz - wegen des Naturschutzes und weil diese Flächen "am Markt nicht zu verkaufen" seien. Sollte der Erblasser überschuldet sein, kommt der Staat nicht für alle Schulden auf - er erhebt die sogenannte Einrede der Dürftigkeit: Das bedeutet, dass die Gläubiger das ausbezahlt erhalten, was an Guthaben aus dem Nachlass da ist.

Immer wieder stehe im Raum, dass sich das Land mit Erbschaften bereichere, sagte die Sprecherin des Landesamts. Aber: "Damit haben wir nichts zu tun." Das Land erbe nur dann, wenn das zuständige Nachlassgericht keine anderen Erben ermitteln könne. Im vergangenen Jahr habe aber auch immerhin sechsmal jemand das Land im Testament gezielt als Erben berücksichtigt. So habe ein Mann der Polizei in Nordenham sein gesamtes Vermögen von 244 000 Euro vermacht, davon sollten nun neue Dienstwagen angeschafft werden.

Eine große Rolle bei den Erbschaften spielten Immobilien wie Wohnungen, Häuser oder Grundstücke, betonte Stallmeister. Dennoch sei das Land über solche Erbschaften nicht immer erfreut. Denn oft sei der Zustand schlecht und sie ließen sich nur "mit hohem Aufwand verwalten und abwickeln". Das kann dauern: Manchmal muss sich das Landesamt jahrzehntelang um fast unverkäufliche Gebäude kümmern. (HINWEIS: Es handelt sich um die Berichtigung einer Meldung vom 15.02., in der präzisiert wurde, dass der Staat im Falle eines überschuldeteten Erbes nicht für alle Schulden aufkommt.)

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