Hannover. Weil sie für ihre Probleme mehr Gehör wollen, haben Landwirte ein Protestcamp in Hannover eingerichtet. Der Landtag hat jetzt über Konzepte für eine Zukunft der Landwirtschaft beraten, die zwischen Umweltanforderungen und Dumpingpreisen in der Klemme steckt.

Zwischen dem Agrar- und Umweltministerium in Hannover harren Landwirte sei Tagen in einem Protestcamp aus - um die Zukunft der Landwirtschaft hat unweit entfernt am Donnerstag auch der Landtag gerungen. Von allen Fraktionen gab es Anträge mit dem Ziel, die Landwirtschaft an den Belangen von Umwelt und Verbrauchern auszurichten und zugleich ein auskömmliches Wirtschaften der Bauern zu gewährleisten. Diese stemmen sich mit ihren Protesten gegen strikte und für sie undurchsichtige Düngebeschränkungen und die Preispolitik der Lebensmittelkonzerne.

Die Regierungsfraktionen von SPD und CDU brachten einen Antrag zu einer Regionalisierung der Fleischvermarktung und Schlachtung ein. Angesichts regelmäßiger Skandale in der Fleischverarbeitung sinke die gesellschaftliche Akzeptanz des zentralen Schlachthofsystems, die Verbraucher zeigten ein immer stärkeres Interesse an den Haltungs- und Schlachtmethoden von Nutztieren, sagte die SPD-Abgeordnete Karin Logemann.

Die Aufforderung an die Regierung ist, dezentrale und auch mobile Schlachtstätten finanziell zu fördern und das Reaktivieren handwerklicher Schlachtbetriebe zu unterstützen. Es müssten angemessene Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Wettbewerbsnachteil kleiner, handwerklicher Schlachtbetriebe gegenüber industriellen Schlachthöfen ausgleichen. Eine dezentrale Schlachtung von Tieren sei geprägt von einem hohen ethischen Anspruch und Respekt vor dem Tier und könne zur Wiederbelebung von Fleischereibetrieben in ländlichen Gebieten beitragen, erläuterte Logemann.

Die FDP forderte ein Eingreifen der Regierung gegen das Höfesterben, denn schärfere Auflagen etwa beim Grundwasserschutz und Niedrigpreise im Handel gefährdeten Existenzen in der Landwirtschaft. "Die Menschen wünschen sich eine bäuerliche, umweltschonende, nachhaltige Landwirtschaft und regionale Lebensmittel", sagte der FDP-Agrarexperte Hermann Grupe. Gleichzeitig kämpften die Betriebe aber aufgrund der vorherrschenden Rahmenbedingungen um ihre Existenz. Nötig seien ausgewogene Wettbewerbsbedingungen für einen funktionierenden Markt, die marktbeherrschende Stellung einzelner Einzelhandelskonzerne müsse beendet werden, hieß es in dem Antrag.

Immer neue Auflagen führten zu Importen aus Ländern, in denen nicht derart strenge Standards gelten, sagte Grupe. "Die Politik überschlägt sich geradezu mit Vorschlägen: Klimapaket, Düngeverordnung, Glyphosatverbot, Insektenschutzgesetz, Pflanzenschutzminimierung." Gleichzeitig gebe es eine immer stärkere Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel, was zu immer niedrigeren Preisen führe. Das sei für die Betriebe nicht mehr zu leisten. Diese setzten Auflagen und Umweltschutz gerne um, müssten dafür aber ordentlich honoriert werden und eine sichere Zukunftsperspektive erhalten.

Auf Antrag der Grünen stellt der Landtag die von der Regierung geplante Rückverlagerung der Kontrolle des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung von der Landes- auf die kommunale Ebene auf den Prüfstand. Damit würde die beim Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) gebündelte Fachkompetenz zerschlagen, ohne in den Kommunen einen gleichbleibend hohen fachlichen Standard zu gewährleisten, beklagte die Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte. Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) verteidigte die geplante Verlagerung, sie diene der Bündelung von Kompetenzen in der Fläche und trage zum Bürokratieabbau bei.

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