Hannover. In der Pandemie grassieren Verschwörungstheorien und Hassreden im Internet. Justizministerin Barbara Havliza will bei der Präventionsarbeit neben dem Islamismus und Rechtsextremismus den Linksextremismus verstärkt in den Blick nehmen.

Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza befürchtet, dass sich mehr Menschen in der Corona-Krise im Internet radikalisieren könnten. "Da hat sich in den letzten Monaten viel getan, das uns Sorge bereitet", sagte die CDU-Politikerin im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Auf verschiedenen Plattformen paarten sich Verschwörungstheorien, Hassreden und extremistische Ideen. Hinzu komme wegen der Kontaktbeschränkungen die zunehmende Isolierung auch der Menschen, die für Extremismus empfänglich seien. Schon vor Corona hätten sich sehr viele Täter - seien es Islamisten oder Rechtsextremisten - autark über das Internet radikalisiert, sagte Havliza.

Die Justizministerin betonte die Bedeutung von Präventionsprogrammen, die sich derzeit gezwungenermaßen weitgehend in den digitalen Raum verlagern müssen. Dabei will die Landesregierung neben Islamismus und Rechtsextremismus auch den Linksextremismus verstärkt in den Blick nehmen. In diesem Jahr fließen unter anderem 65 000 Euro in ein Projekt, das Pädagogen helfen soll, demokratiefeindliche Einstellungen frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Auch Polizisten sollen in dieser Hinsicht geschult werden. "Man darf keinen Extremismus-Bereich aus den Augen lassen und verlieren", betonte Havliza.

Bei den linksextremistischen Straftaten wurde landesweit 2018 und 2019 ein Anstieg verzeichnet - vor allem durch Sachbeschädigungen und Diebstähle, meist in Zusammenhang mit der Europawahl und der AfD. Gewaltdelikte von links seien zwar zurückgegangen, aber das Personenpotenzial gewaltbereiter Linksextremisten in Niedersachsen sei spürbar gewachsen, teilte das Justizministerium mit.

In der Nacht zum 10. Januar dieses Jahres sollen Linksextremisten ein Feuer auf dem Gelände der niedersächsischen Landesaufnahmebehörde in Braunschweig gelegt haben. Es gab ein entsprechendes Bekennerschreiben. Zehn Fahrzeuge und ein Anhänger brannten aus. Innenminister Boris Pistorius (SPD) sprach von einer "starken Radikalisierung" der linksextremistischen Szene in Niedersachsen, die sich zu einer "terroristischen Struktur" entwickle.

Das Justizministerium hat die linksextremistische Szene im Land vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) in einer Studie untersuchen lassen. "Wir wollen eruieren, mit welchen Ansätzen diese Szene aufgebrochen werden kann", sagte Havliza. Regionale Hotspots seien Göttingen, Hannover und Braunschweig. An diesem Donnerstag geht es auch im Landtag um die Bekämpfung von Linksextremismus. Die CDU-Fraktion hat einen entsprechenden Antrag in die Aktuelle Stunde eingebracht.

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