Celle.

In dem seit mehr als drei Jahre laufenden Prozess gegen den mutmaßlichen Deutschland-Chef der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Walaa, hat die Verteidigung am Dienstag weitere Anträge gestellt. Ursprünglich hatte das Oberlandesgericht Celle ins Auge gefasst, an dem inzwischen 240. Prozesstag mit dem Plädoyer der Bundesanwaltschaft zu beginnen. Wann diese nun starten, war zunächst offen. Die Verteidigung stellte einen weiteren Beweisantrag in Aussicht. Für das Plädoyer der Anklage sind zwei Tage vorgesehen.

Dem Iraker Abu Walaa und drei Mitangeklagten wird vorgeworfen, junge Menschen vor allem im Ruhrgebiet und im Raum Hildesheim islamistisch radikalisiert und in die IS-Kampfgebiete geschickt zu haben. Zwei der Rekrutierten sollen im Irak Selbstmordattentate mit zahlreichen Todesopfern verübt haben. Ein weiterer soll im Sicherheitsapparat des IS tätig gewesen sein. Die Angeklagten stehen wegen Unterstützung des IS und Mitgliedschaft in der Terrormiliz seit September 2017 vor Gericht.

Mitte Dezember wurde die Untersuchungshaft gegen einen der Mitangeklagten aufgehoben, der seit seiner Festnahme inzwischen gut vier Jahre in Haft gesessen hat. Es werde eine Haftstrafe in dieser Größenordnung erwartet, und Fluchtgefahr bestehe somit nicht mehr, erklärte das Gericht. Ein weiterer geständiger Mitangeklagter war im April zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Er war kurz vor seinem Urteil auf freien Fuß gekommen, da er das Strafmaß bereits mit der Untersuchungshaft verbüßt hatte.

Die Anklage stützte sich in dem Prozess zunächst vor allem auf einen Kronzeugen, einen jungen Mann aus Gelsenkirchen. Dieser geriet als Jugendlicher in islamistische Kreise und reiste nach seiner Schilderung mit Hilfe von Abu Walaas Netzwerk nach Syrien aus. Später wandte er sich vom IS ab und kooperierte mit den Behörden.

Eine weitere Schlüsselrolle für die Anklage spielten Informationen des ehemals wichtigsten V-Manns der Polizei in islamistischen Kreisen. "Murat Cem" oder "VP01", jahrelang ein Top-Informant der Polizei in Nordrhein-Westfalen, erhielt für den Terror-Prozess aber keine Aussagegenehmigung.

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