Hannover. Keine Entspannung im Pandemie-Winter: In Niedersachsen bleiben die Corona-Fallzahlen trotz regional vereinzelter Stabilisierung hoch. Besonders kritisch ist es im Kreis Nienburg. Aber auch anderswo wütet das Virus - vor allem in Pflegeheimen und Krankenhäusern.

Niedersachsens neuer Corona-Hotspot Nienburg richtet sich auf verschärfte Schutzregeln ein - aber auch im ganzen Land lässt der Druck des Virus auf das Gesundheitssystem nicht nach.

Zwar sank der durchschnittliche Inzidenz-Wert der Neuinfektionen bis zum Sonntag leicht. Doch das Niveau blieb vielerorts hoch, vor allem in Heimen und Kliniken war die Situation heikel. Währenddessen musste die Polizei abermals verbotene Versammlungen auflösen. Das Land verschärfte die Quarantäne-Regeln für Einreisende aus Gebieten, in denen vermehrt hoch infektiöse Mutationen des Erregers auftreten.

Nienburg blieb über einer Sieben-Tages-Inzidenz von 200 bestätigten Neuansteckungen pro 100 000 Einwohner. Zuletzt wurde für den Kreis ein Wert von 208,4 gemeldet. Ein Kreissprecher erklärte, der örtliche Krisenstab wolle am Montagvormittag das weitere Vorgehen besprechen. Zu konkreten Regel-Verschärfungen äußerte er sich noch nicht. Es sei bereits absehbar, dass der Kreis wohl nicht die Bewegungsfreiheit der Bürger innerhalb eines 15-Kilometer-Radius einschränken werde. "Wir werden aber noch verschiedene andere Maßnahmen prüfen", hieß es.

Für Niedersachsen lag die durchschnittliche Wochen-Inzidenz bei 89,7 - ein minimaler Rückgang gegenüber Samstag (91,8). Die Zahl der Fälle nahm landesweit um 938 auf 136 078 zu, die der im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion Gestorbenen um 27 auf 2971. Hoch blieben die Inzidenzen auch im Kreis Wesermarsch (162,6) und im Kreis Helmstedt (150,1). Daneben gab es etliche weitere Kommunen jenseits der 100er Marke. Als maßgeblich für eine noch leistbare Nachverfolgung von Kontakten Infizierter gilt ein Inzidenz-Wert von höchstens 50.

Ein großer Teil des Infektionsgeschehens spielt sich in Pflegeheimen und Krankenhäusern ab. Im Nienburger Helios-Klinikum war es zu einem Corona-Ausbruch bei mehr als 40 Patienten und Beschäftigten gekommen, ebenso in mehreren Altenheimen. Es wurde Unterstützung der Bundeswehr sowie von Hilfsorganisationen angefordert.

In der Deister-Süntel-Klinik in Bad Münder (Kreis Hameln-Pyrmont) galt seit Donnerstag ein vorübergehender Aufnahmestopp, 21 der rund 140 Mitarbeiter sowie 13 Patienten waren bis dahin positiv getestet worden. Eine Sprecherin von Helios berichtete: "An sieben unserer niedersächsischen Kliniken mussten wir Corona-Ausbrüche verzeichnen, die sich aber immer auf eine bis maximal drei Stationen beschränkt haben." Die Lage ist laut Niedersächsischer Krankenhausgesellschaft angespannt. In anderen Bundesländern gibt es ebenso Aufnahmestopps.

Derweil hatte es die Polizei nach eigenen Angaben erneut mit etlichen und teilweise dreisten Verstößen gegen die Kontaktbeschränkungen zu tun. In Cloppenburg erwischten die Beamten eine Saunagesellschaft beim Schwitzen auf engstem Raum. Allein in dieser Region starteten die Behörden mehr als 90 Ordnungswidrigkeiten-Verfahren, vor allem nach aufgelösten Partys. In Wolfenbüttel wurden Treffen in Wohnungen und Schrebergärten aufgelöst, in Belm bei Osnabrück Polizisten von betrunkenen Feiernden verletzt. Bei einer "Corona-Party" in Hannover wurde nebenbei noch eine Indoor-Marihuana-Plantage ausgehoben.

Angesichts des steigenden Risikos eingeschleppter Fälle mit den neuen Virus-Mutationen strich das Land einige Ausnahmen von den üblichen Quarantäne-Regeln. Sämtliche Einreisende aus Gebieten mit besonders infektiösen Varianten müssen sich ab sofort in eine zehntägige Quarantäne begeben. Nur in drei Sonderfällen kann noch von einer entsprechenden Selbstisolation über eine Dauer von gut eineinhalb Wochen abgesehen werden. Dazu gehören Durchreisen, wenn "Niedersachsen auf schnellstem Wege verlassen" wird, sowie - bei einem Aufenthalt von maximal drei Tagen - berufsbedingte Grenzübertritte von Beschäftigten im Verkehr oder Gesundheitswesen.

Unabhängig davon müsse sich jeder auf das Coronavirus testen lassen, betonte das Land. Besuche von Verwandten in Niedersachsen oder von Niedersachsen bei Verwandten im Ausland fallen nicht unter die Quarantäne-Pflicht, wenn es um ein "normales" Risikogebiet geht - und sofern es zur Ein- oder Rückreise einen negativen Corona-Test gibt.

Eine genetisch veränderte Variante des Sars-CoV-2-Virus ist möglicherweise auch schon bei Zweitinfektionen im Land aufgetreten. Für die erneute Ansteckung einer Frau in der Region Hannover könnte eine Corona-Mutante verantwortlich sein, sagte Gesundheitsamtsarzt Hubert Thole der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". In der Landeshauptstadt demonstrierten am Samstag etwa 80 Menschen für mehr Tempo in der Immunisierung durch Patentfreigaben bei den Impfstoffen.

In Niedersachsen wurden zuletzt weniger Fälle anderer Infektionskrankheiten wie Grippe gemeldet. Wie aus Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht, sank die Zahl der in diesem Winter registrierten Influenza-Erkrankungen gegenüber den Vorjahren. So gab es in der ersten Kalenderwoche 2021 vier Fälle - Anfang 2020 waren es 112. Der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb hält die Debatte über mögliche Lockerungen für verfrüht. Er nimmt an, dass die Sieben-Tages-Inzidenz Anfang Februar knapp unter 100 liegen wird - aber damit "immer noch sehr hoch und tödlich für Hunderte täglich. Und das nur, sollte sich die neue Variante (des Coronavirus) nicht deutlich bemerkbar machen."

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