Hannover. Was sind die richtigen Maßnahmen für Schulunterricht während der Corona-Epidemie? Wird sozial Schwachen geholfen? Und wie steht es um Firmenhilfen? Über den Kurs in der Krise hat der Landtag debattiert. Bringt eine Impfung vieler Menschen bis zum Sommer den Durchbruch?

Angesichts der anhaltenden Corona-Epidemie und einer strikteren Verordnung mit Beschränkungen, die ab Montag greift, hat der Landtag in Hannover den Kurs der Regierung auf den Prüfstand gestellt. Die Opposition von Grünen und FDP warf der Landesregierung am Freitag in einer Sondersitzung vor, viele ihrer Konzepte nicht aufgegriffen und die Bewältigung der Krise damit vernachlässigt zu haben.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und die Spitzen der SPD- und CDU-Fraktion betonten den Zwang zur Vorsicht in einer weiterhin bedrohlichen Corona-Lage. Viel Hoffnung richte sich auf Fortschritt bei einer möglichst breiten Impfkampagne.

"Das Fundament ist der Impfschutz", sagte Weil in einer Regierungserklärung. Trotz aktueller Lieferengpässe und Knappheit von Impfstoff gebe es die Perspektive, insbesondere mit der Zulassung weiterer Impfstoffe Millionen von Niedersachsen zu impfen. Die Bundesregierung wolle allen impffähigen Menschen bis Jahresmitte eine Impfung ermöglichen.

"Das ist ambitioniert, aber wir sind fest entschlossen, dass Niedersachsen seinen Anteil an diesem Vorhaben mit großem Engagement leisten wird", sagte Weil. "Eine geimpfte Gesellschaft muss vor dem Virus keine Angst mehr haben, und das ist unser Ziel."

Der Grünen-Abgeordnete Christian Meyer beklagte lebensfremde Regeln für Familien mit kleinen Kindern in der neuen Corona-Verordnung. Die Regierung müsse sicherstellen, dass niemand in der Schule durch die Epidemie benachteiligt und Corona nicht zu einer Armutsfalle werde. Es sei symptomatisch, dass die Regierung dem Parlament nicht zuhöre - gemeinsam mit allen Fraktionen ließen sich bessere Wege aus der Krise finden.

Meyers Fraktionskollege Volker Bajus kritisierte, die Regierung habe Anträge der Opposition zum Corona-Schutz in Schulen, einem besseren Busverkehr und zur Digitalisierung nicht ernst genommen, nun müssten fast alle Schüler zu Hause bleiben. "Ich will nicht behaupten, dass das einfach ist", sagte Bajus. "Aber Sie sind nicht umsonst eine große Koalition."

FDP-Fraktionschef Stefan Birkner warf der Regierung einen Schlingerkurs bei der Öffnung der Schulen vor. "Glauben Sie denn, dass Ihnen die Leute da noch folgen können, dass das, was Montag richtig war, am Freitag falsch ist?" Unternehmen in Niedersachsen hingen in der Luft, weil Förderprogramme des Landes momentan ausgeschöpft seien. In vielen Bereichen sei seit Monaten nichts oder viel zu wenig passiert.

"Wir befinden uns in einer Krise. Und die Bewältigung dieser Krise ist keineswegs so einfach, wie manch einer behauptet", betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Toepffer. Eine Gesamtstrategie sei schwierig, solange nicht klar sei, wie das Virus auf bestimmte Maßnahmen reagiere. "Wichtig für die Entscheidungen dieser Koalition ist vor allem eines: Die Akzeptanz dieser Entscheidungen durch die Bürger." Den Oppositionsvorwurf, die sich von der Regierung bei der Krisenbewältigung im Parlament ungenügend eingebunden sieht, wies Toepffer zurück. "Die Pandemie bringt viele Gefahren mit sich. Das parlamentarische System ist nicht gefährdet."

Von einer gescheiterten Politik, einer Politik, die im Dunkeln stochere, sprach der AfD-Abgeordnete Stefan Bothe. Ob Maskenpflicht und Corona-Beschränkungen die Epidemie wirklich eingedämmt hätten, wisse man nicht. Ebenso sei die Wirksamkeit der Impfkampagne nicht belegt. Der Lockdown bringe nichts, meinte der AfD-Abgeordnete Klaus Wichmann, er bringe aber viele Existenzen in Gefahr und das Vertrauen der Bevölkerung schwinde.

Das Schicksal von inzwischen tausenden Corona-Toten und ihren Angehörigen rückte SPD-Fraktionschefin Johanne Modder in den Fokus. Sie dankte ausdrücklich dem Personal in den Kliniken für seinen unermüdlichen und schwierigen Einsatz. "Die Hoffnung auf die Impfung ist begründet. Ich glaube, dass wir das gemeinsam schaffen."

Doch wann genau die Menschen in Niedersachsen auf erste Lockerungen hoffen können, ließ die Regierung am Freitag offen. Zu diffus sei noch die Lage, sagte der Ministerpräsident. "Es ist nämlich beides denkbar, eine Verbesserung ebenso wie eine Verschlechterung der Situation." Laut Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPd) wird es erst dann Handlungsoptionen für Lockerungen geben, wenn der Inzidenzwert von 50 Infektionen auf 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen in Niedersachsen im Landesdurchschnitt erreicht sei. Am Freitag lag dieser Wert bei 94,7.

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