Westerstede. Die Küstenautobahn A20 soll einmal die Niederlande, Norddeutschland und Polen verbinden - doch dem Umweltverband BUND zufolge könnten sich die Kosten für das Großprojekt massiv verteuern. Für Umweltschützer ist die A20 ein Symbol verfehlter Verkehrspolitik.

Der Weiterbau der Küstenautobahn A20 in Schleswig-Holstein und Niedersachsen könnte sich einer Studie zufolge so drastisch verteuern, dass das Großprojekt aus Sicht des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) nicht mehr wirtschaftlich ist. Die Gesamtkosten für den Neubau würden demnach rund doppelt so teuer ausfallen wie bislang geplant, wie der Verband bei der Vorstellung der Studie am Dienstag mitteilte. Statt 3,7 Milliarden rechnet der BUND mit Baukosten von mindestens 7 Milliarden Euro - inklusive dem neuen Elbtunnel bei Stade. Widerspruch kommt dagegen von der Politik. Das Land Niedersachsen betont die Bedeutung der A20 für die Region.

Die Kosten für die A20 im Bundesverkehrswegeplan seien deutlich zu niedrig angesetzt, sagte Kirsten Erwentraut, die die Studie im Auftrag des BUND erstellte. Tatsächlich überstiegen jedoch die Kosten den Nutzen der Autobahn. "Daraus lässt sich nur die Konsequenz ziehen, dass die A20 nicht bauwürdig ist", sagte sie. Die Kosten für einen Kilometer A20 liegen demnach im Schnitt bei mehr als 25 Millionen Euro. "Was sehr kostspielig ist", sagte Erwentraut. Ein normaler Autobahnkilometer komme auf 10 bis 20 Millionen Euro.

Für den BUND steht die A20 exemplarisch für andere Großprojekte. Laut Bundesvorsitzendem Olaf Bandt zerstöre das Vorhaben nicht nur die Natur - es passe auch nicht zu den anvisierten Klimazielen, etwa zu der Senkung des CO2-Ausstoßes. Bandt nahm die Kostensteigerung zum Anlass, um eine Umkehr in der Verkehrsplanung zu fordern: "Die Gelder bräuchten wir eigentlich tatsächlich für einen klimaverträglichen Ausbau der Mobilität." Statt mehr Verkehr auf den Autobahnen müsse stärker auf Bus- und Bahnverkehr gesetzt werden. Der Umweltverband forderte daher, das Infrastrukturprojekt zu stoppen und angesichts von Klima- und Biodiversitätszielen auf den Prüfstand zu stellen.

Für die Studie berechneten die Autoren auf Basis von Schätzungen des Bundesrechnungshofes zum geplanten neuen A20-Elbtunnel die Kosten für das Gesamtprojekt neu und bezogen dabei auch etwa steigende Baupreise mit ein. Neben dem Elbtunnel könnten laut Studie viele weitere große Ingenieurprojekte die Kosten für das Vorhaben in die Höhe treiben. So müssten für die Trasse allein in Niedersachsen 145 Brücken gebaut werden. Zudem sei vor allem in der Wesermarsch, also in Marsch- und Moorgebieten, mit schwierigen Befestigungsarbeiten zu rechnen.

Die A20 soll einmal die Niederlande, Norddeutschland und Polen verbinden. Mit 121 Kilometern auf niedersächsischer Seite zählt sie zu den wichtigsten Infrastrukturprojekten des Bundeslands. Seit langem endet die vom polnischen Stettin kommende Autobahn aber östlich von Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. Über den Bau wird immer wieder gestritten - Klagen verzögern den Beginn des ersten, 13 Kilometer langen Abschnitts in Niedersachsen von der A28 bei Westerstede (Kreis Ammerland) bis zur A29 bei Jaderberg.

Für den ersten Teil ist nun ein geänderter Planfeststellungsbeschluss nötig. Aktualisierte Genehmigungen werden noch für diesen Januar oder Februar erwartet, wie die Autobahngesellschaft des Bundes mitteilte. Es sind allerdings auch noch Klagen, etwa des BUND, anhängig, so dass die Behörde frühestens mit einem Baustart im Herbst 2021 rechnet.

Bereits im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass das Neubauvorhaben allein auf niedersächsischer Seite wegen steigender Baukosten teurer werde. Die A20 von Westerstede bis zur Elbe bei Drochtersen könnte sich demnach um 357,5 Millionen Euro verteuern, wie aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion hervorging. Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann (CDU) bezifferte die Mittel auf knapp 2,6 Milliarden Euro. Hochgerechnet sei von Kosten von über 2,9 Milliarden Euro auszugehen.

Kritik an dem Großprojekt äußerte am Dienstag auch Fridays for Future. Sprecher Stefan Mester nannte die A20 "das klimaschädlichste Bauvorhaben des Bundesverkehrswegeplanes". Statt wichtige Moorgebiete durch den Bau der Fernstraße zu zerstören, müssten genau diese als wichtige CO2-Speicher erhalten bleiben.

Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) betonte auf Anfrage die Bedeutung des Vorhabens: "Autobahnprojekte wie die A20 tragen insgesamt dazu bei, den Logistik- und Wirtschaftsstandort Niedersachsen leistungsfähiger und attraktiver zu machen", sagte Althusmann. "Auch die Menschen vor Ort profitieren von einer besseren Verkehrsanbindung." Er verwies darauf, dass seit Jahresbeginn die Autobahngesellschaft des Bundes die Verantwortung für die Autobahnen übernommen habe. Das Land Niedersachsen wolle sich dennoch beim Bund für den Fortschritt der Infrastrukturvorhaben einsetzen.

Die niedersächsischen Grünen erneuerten angesichts der Studie ihre Forderung nach einem Planungsstopp. "Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für Bundes- und Landesregierung, ihre verkehrspolitischen Schwerpunkte für Niedersachsen neu auszurichten", sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Detlev Schulz-Hendel. Der Bundesverkehrswegeplan dürfe allein aufgrund "horrend steigender Kosten" nicht umgesetzt werden. Dies gelte in Niedersachsen neben der A20 auch für die A33 Nord und die A39.