Hannover. Alte und kranke Menschen sind besonders gefährdet, schwer an Covid-19 zu erkranken. Für die Pflegeeinrichtungen bedeutet dies eine Gratwanderung: Wie lassen sich Infektionsschutz und das Bedürfnis nach Nähe und Besuch vereinbaren?

Antigen-Schnelltests sollen in der zweiten Corona-Welle Infektionsausbrüche in Alten- und Pflegeeinrichtungen verhindern. Seit Mitte Oktober haben Heime und Kliniken bundesweit die Möglichkeit, dieses Verfahren zu nutzen und abzurechnen. Einmal in der Woche getestet werden können die eigenen Mitarbeiter sowie Bewohnerinnen und Bewohner beziehungsweise Patienten. "Wir geben den Einrichtungen derzeit die notwendige Hilfestellung bei der Erstellung entsprechender Testkonzepte", sagte Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

Pflegebedürftige Senioren trifft das neuartige Virus besonders hart. Laut einer Erhebung des Landes starben zwischen dem 4. April und 27. Oktober 331 Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen, die sich mit Sars-CoV-2 infiziert hatten. Das waren rund 45 Prozent der Corona-Todesfälle in Niedersachsen. Die bedrückenden Bilder von Särgen, die im Frühjahr aus dem Wolfsburger Hanns-Lilje-Heim getragen wurden, gingen um die Welt. Dort hatten sich 111 Bewohner sowie 43 Beschäftigte infiziert, 45 Menschen starben. Mit den Schnelltests - so die Hoffnung - können Infektionen früher bemerkt werden.

Heimbetreiber begrüßen das neue Verfahren. "Wir starten diese Woche. Bei uns bieten wir das sechs Mal die Woche für zwei Stunden an", sagte Lars Wöhler, der ein Pflegeheim in Burgwedel bei Hannover leitet. Die Abstriche müssen von eigenen medizinischen oder Pflege-Fachkräften genommen werden. Die Mitarbeiter fehlten in dieser Zeit bei der Betreuung der Bewohner, bedauerte er. Aus Wöhlers Sicht könnten diese Aufgabe zum Beispiel Bundeswehrsoldaten übernehmen.

Zudem wären schon viel früher in der Pandemie Reihentests in den Senioren-Einrichtungen sinnvoll gewesen, sagte Wöhler, der sich im Landesvorstand des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) engagiert. "Wir hätten uns alle gewünscht, dass solche Tests nicht bei Profi-Fußballern eingesetzt werden, sondern bei uns."

Nach einer Pause im Sommer werden seit September wieder größere Corona-Ausbrüche in niedersächsischen Heimen bekannt, etwa in Neu-Wulmstorf (Landkreis Harburg), Vechta und Bad Essen (Landkreis Osnabrück). Zuletzt gab es Ausbrüche mit jeweils rund 50 positiv getesteten Bewohnern und Beschäftigten in Heimen in Hildesheim und Sarstedt. Das Landesgesundheitsministerium zählte in dieser Woche 36 Einrichtungen mit Corona-Fällen, aktuell erkrankt waren 200 Bewohner und 101 Mitarbeiter (Stand 27. Oktober). Zwischen dem 21. und 27. Oktober starben fünf Altenheimbewohner mit Covid-19.

Die besonders Schutzbedürftigen und vom Virus stark Bedrohten sollten nicht noch an Einsamkeit und sozialer Isolation leiden, betonte Ministerin Reimann. "Neben der Politik und den Einrichtungen können auch die Angehörigen der Bewohnerinnen und Bewohner aktiv mithelfen, Besuche so lange wie möglich zu ermöglichen", sagte die SPD-Politikerin. Sie sollten die eigenen Kontakte reduzieren und beim Besuch im Pflegeheim eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen.

Die Häuser hätten inzwischen gut durchdachte Hygienekonzepte mit zum Beispiel von außen zugänglichen Besuchszimmern, sagte Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher des Diakonischen Werkes evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Trotz der neuen Schnelltests bleibe auch in gut geführten Häusern ein Restrisiko. "Uns ist wichtig, dass nicht in einem Reflex die Häuser wieder zugemacht werden", betonte Lenke. Es sei ethisch nicht zu verantworten, die alten Menschen in den Einrichtungen einzusperren und ihnen beispielsweise Treffen mit ihrem extern lebenden Ehepartner zu verwehren. Nicht alles, was in Gruppen stattfindet, könne unterbunden werden. In vielen Heimen gehört es zum Konzept, dass sich die Bewohner frei bewegen und zum Beispiel zum Singen oder Tanzen zusammenkommen.