Hannover. Während sich die Wirtschaft gerade vom ersten Corona-Schock erholt, gehen schon wieder bange Blicke in die Zukunft. Eine Situation wie im Frühjahr wollen die Industrie- und Handelskammern unbedingt vermeiden.

Die Sorge vor einer zweiten landesweiten Schließung von Geschäften ist in Niedersachsens Wirtschaft weiterhin groß. Zwar sei die Zuversicht der Unternehmen wieder größer als zu Beginn der Corona-Krise, dennoch sind besonders die Reisewirtschaft, Veranstalter, Messen und die Gastronomie nach Einschätzung der Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen (IHKN) immer noch gefährdet.

"Das sind die großen Verlierer der Pandemie", sagte IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt am Donnerstag in Hannover. "Es darf nicht dazu kommen, dass das gesamte Bundesland wieder schließt, wie wir das im Frühjahr hatten. Das könnten die Branchen nicht überleben."

Betriebe sollten nur dann geschlossen werden, wenn sie nachweislich von einem Corona-Ausbruch betroffen sind, forderte Bielfeldt. Wichtig sei außerdem, dass die Kinderbetreuung sichergestellt ist, damit die Eltern weiterhin arbeiten können.

Der Stimmungsindex in der vierteljährlichen IHKN-Umfrage verbesserte sich im Vergleich zum Sommer von 76 auf 89 Punkte. Im Frühjahr hatte er noch bei 48 Punkten gelegen. Trotz der Erholung liegt der aktuelle Wert aber noch deutlich unter dem Niveau der Vorjahre - schlechter war er vor der Corona-Pandemie zuletzt im Jahr 2009.

Drei Viertel der Unternehmen sind der Umfrage zufolge zufrieden mit der derzeitigen Geschäftslage - eine "paradoxe Situation", sagte Bielfeldt. Denn jedes dritte Unternehmen erwarte absehbar eine Verschlechterung. Im Frühjahr waren es zwar noch deutlich mehr, dennoch mangelt es an Optimisten, an eine Verbesserung glaubt nur etwa jedes sechste Unternehmen. "Daraus kann man ableiten, dass die Krise noch nicht ausgestanden ist."

Eine Rückkehr zur Normalität sehen 24 Prozent der Unternehmen bereits als erreicht an, 34 Prozent erwarten sie für das kommende Jahr, 16 Prozent erst danach. Die übrigen Unternehmen trafen dazu noch keine Einschätzung oder erwarten überhaupt keine Rückkehr zur Normalität.

In der Industrie sei die Auftragslage wieder "fast normal", sagte Bielfeldt. Insbesondere die Autoindustrie, aber auch Chemie und Elektrotechnik sind laut IHKN im Aufwind, die Metallbranche und der Maschinenbau schwächelten dagegen noch. Der Einzelhandel habe sich nach den Einbußen im Frühjahr deutlich erholt.

Mit Blick auf die Beschäftigten sei derzeit jedoch "keine Zeit für Neueinstellungen", sagte Bielfeldt. Gegenwärtig gebe es 50 000 Arbeitslose mehr in Niedersachsen als im Vorjahr. Der Fachkräftemangel, den die Unternehmen vor einem Jahr noch als größtes Risiko eingestuft hatten, bereitet daher im Moment weniger Sorge als zuletzt. Stattdessen gilt die Inlandsnachfrage als größtes Risiko.

Rund 2000 Unternehmen hatten sich vom 15. September bis 8. Oktober an der Umfrage der IHKN beteiligt.