Berlin. Müssen in der Corona-Zwangspause alle Atomkraftwerke weiter laufen? Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag sagt: Nein. Sie sieht in den anstehenden Arbeiten in den AKW eine Gefahr.

Die niedersächsischen Atomkraftwerke Grohnde und Emsland sollen bis zum Ende der Corona-Krise abgeschaltet werden - das fordert die Grünen-Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl. "Die deutschen Atomkraftwerke sind unter den gegebenen Umständen weniger denn je systemrelevant", schrieb die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag an Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sowie an die Umweltminister von Niedersachsen und Bayern. Auch das bayerische AKW Gundremmingen, das bereits am 20. März vom Netz genommen worden sei, solle vorsorglich abgeschaltet bleiben.

Im April und Mai stehen dem Schreiben zufolge die jährlichen Revisionen der AKW Grohnde und Emsland an. Dabei seien Hunderte externe Fachkräfte über Wochen mit den Arbeiten beschäftigt, schrieb Kotting-Uhl. "Das Risiko, dass die AKW zu Hotspots einer weiteren Verbreitung des Coronavirus würden, ist unangemessen und unnötig." Die Revisionen sollten deshalb ausgesetzt werden.

Dem Umweltministerium in Hannover zufolge laufen derzeit Beratungen, ob der Zeitplan für die Revision des AKW Grohnde gehalten werden kann. Der Betreiber Preussen Elektra wolle daran festhalten und sicherstellen, dass die Infektionsgefahr so gering wie möglich ist. Über eine vorübergehende Stilllegung werde nicht gesprochen, sagte ein Ministeriumssprecher und betonte: "Es geht bei der Entscheidung allein um die Revision in Grohnde und keine anderen Atomkraftwerke."

Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums in Berlin verwies auf die Zuständigkeit der Gesundheitsbehörden: "Selbstverständlich hat jetzt der Gesundheitsschutz absolute Priorität", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Wenn die Gesundheitsbehörden zu der Einschätzung gelangen, dass eine große Anzahl fremder Arbeiter in einem AKW nicht zu verantworten ist, dann kann eine Revision nicht stattfinden." Zudem könne es "natürlich keine Sicherheitsrabatte bei der nuklearen Sicherheit geben".

Die Grünen-Politikerin Kotting-Uhl berief sich in ihrem Brief auch auf Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft. Demnach war der Stromverbrauch am 25. März dieses Jahres 6,8 Prozent niedriger als am 25. März der Jahre 2017 bis 2019. Angesichts der gedrosselten Produktion in der Industrie sei es wahrscheinlich, dass sich dieser Trend fortsetze, schrieb Kotting-Uhl.