Hannover. Später Durchgriff der Sozialministerin: Bei der kriselnden Pflegekammer sollen nun die Pflegekräfte über den Fortbestand der umstrittenen Kammer abstimmen. Auch in den Vorstandsstreit schaltet das Ministerium sich nun ein.

Im Dauerstreit um die Pflegekammer in Niedersachsen lässt Sozialministerin Carola Reimann (SPD) die Pflegekräfte nun über den Fortbestand der Kammer abstimmen. "Die Onlinebefragung soll nach der Fertigstellung des entsprechenden Fragebogens bereits Mitte März starten", sagte Reimann am Dienstag im Landtag in Hannover. Dabei werde es die Frage geben, ob die Mitglieder grundsätzlich eine beitragsfreie Pflegekammer wollten. "Es gibt also eine klare und eindeutige Frage, ob es die Kammer weiter geben soll", betonte die Ministerin. "Das Votum der Pflegenden ist dann für uns bindend."

Das Ministerium habe die Kammer zudem angewiesen, den Entscheid über die Zukunft der im Kreuzfeuer der Kritik stehenden Kammerpräsidentin vorzuziehen, sagte Reimann. Die Kammerversammlung hatte Präsidentin Sandra Mehmecke mit 14 zu 13 Stimmen das Misstrauen ausgesprochen, Mehmecke kündigte daraufhin an, ihr Amt bei der Sitzung am 17. März zur Disposition zu stellen. Auf Druck des Ministeriums soll die Abstimmung vorgezogen werden. "Wir haben darüber hinaus die klare Erwartungshaltung, dass sich die Pflegekammer nun endlich mit ganzer Kraft auf die Verbesserung der Situation der Pflegekräfte in Niedersachsen konzentriert", so die Ministerin.

Vom Start weg hatte es bei der Pflegekammer Ärger über fehlerhafte Bescheide über Mitgliedsbeiträge gegeben. Deshalb hatte der Landtag im Dezember beschlossen, die Pflegekammer dauerhaft beitragsfrei zu machen, auch mit dem Ziel, die Wogen zu glätten und eine stabile Sacharbeit der Kammer zu ermöglichen. Diese Chance habe die Kammer leider nicht genutzt, sagte Reimann.

In der Debatte um die Pflegekammer hatten zuvor SPD-Fraktionschefin Johanne Modder und der CDU-Abgeordnete Volker Meyer eine unverzügliche Befragung der Pflegekräfte über die Zukunft der Kammer verlangt. "Es ist Zeit, die Kammer aufzulösen", forderte indes FDP-Fraktionschef Stefan Birkner.

Die 2017 per Gesetz beschlossene Pflegekammer soll den Pflegern als berufsständige Selbstverwaltung eine Stimme geben. Streit gibt es jedoch wegen der Pflichtmitgliedschaft und den Beiträgen, die oft falsch veranschlagt und von vielen nicht gezahlt worden waren. Der Landtag entschied deswegen im Dezember, die Beiträge abzuschaffen.

Ein am Dienstag in Berlin vorgestelltes Gutachten zeigt unterdessen, dass in Pflegeheimen Zehntausende zusätzliche Pflegekräfte für eine bessere Betreuung der Betroffenen gebraucht werden. Benötigt würden vor allem Assistenzkräfte, die zum Beispiel einfache tägliche Körperpflege erledigen können, hieß es in dem Gutachten, das im Auftrag der Krankenkassen und der Heimträger erstellt wurde. Der Zusatzbedarf könne nur befriedigt werden, wenn die Arbeitsbedingungen in der Heimpflege verbessert werden. Insgesamt gab es zuletzt bundesweit rund 765 000 Beschäftigte in Pflegeheimen, darunter 221 000 in Vollzeit.