Osnabrück. Die christliche Gefängnisseelsorge hat in Deutschland eine jahrhundertelange Tradition. Aber je mehr muslimische Gefangene in den Strafanstalten sitzen, umso wichtiger wird ein solches Angebot auch für diese Gruppe.

Das Justizministerium und die Universität Osnabrück starten ein gemeinsames Projekt zur Verbesserung der Gefängnisseelsorge für Muslime. Vier islamische Theologen sollen den Bedarf für Seelsorge muslimischer Strafgefangener wissenschaftlich feststellen, zugleich werden sie auch mit Hilfe der evangelischen und katholischen Kirche zu Gefängnisseelsorgern ausgebildet, sagte die Präsidentin der Universität, Susanne Menzel-Riedl, am Dienstag.

Auch muslimische Gefangene hätten ein Anrecht auf religiöse Betreuung, sagte Justizstaatssekretär Stefan von der Beck. Es herrsche aber ein Mangel an qualifizierten muslimischen Seelsorgern. Die Justizminister der Länder hätten sich im vergangenen November darauf geeinigt, dass die Gefängnisseelsorge für muslimische Gefangene denselben fachlichen Standards wie der christlichen Gefängnisseelsorge genügen solle. "Dieses Projekt ist ein Meilenstein in der Umsetzung dieses Zieles", sagte von der Beck.

Für das Projekt ist das Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück zuständig. Damit sei Osnabrück nach Tübingen die zweite Universität in Deutschland, die sich wissenschaftlich mit muslimischer Gefängnisseelsorge beschäftige, sagte Menzel-Riedl.

Eine professionelle Gefängnisseelsorge sei ein wichtiges Angebot für Inhaftierte, sagte Staatssekretär von der Beck. "Sie kann Wendepunkte im Leben von Inhaftierten einleiten und die Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft fördern." Projekte gegen die Radikalisierung von muslimischen Häftlingen könne sie gleichwohl nicht ersetzen. Das Land nehme aber religiöse Bedürfnisse ernst und wolle eine mit den demokratischen Werten in Einklang stehende religiöse Betreuung ermöglichen.

Seinen Angaben zufolge wächst der Anteil muslimischer Gefangener in Niedersachsen. Im Jugendvollzug liegt der Anteil zurzeit bei rund 30 Prozent, im Erwachsenenvollzug bei etwa 20 Prozent. Das bedeutet, dass es in niedersächsischen Gefängnissen derzeit rund 1000 Häftlinge muslimischen Glaubens gibt. Um sie kümmern sich derzeit 23 muslimische Seelsorger, die für ihren zumeist ehrenamtlichen Einsatz geschult worden sind.

Für die Strafgefangenen sei es wichtig und stabilisierend, aus dem Glauben Antworten zu erhalten, sagte Institutsleiter Ucar. Religiöse Fragen zu Sünde, Schuld, Prüfung, Bestrafung, Vergebung oder Sühne hätten häufig eine zentrale Bedeutung in der Lebenssituation der Strafgefangenen.

Eine erste Vereinbarung zwischen dem Land und den muslimischen Verbänden zur Gefängnisseelsorge, die es zuvor bereits vereinzelt gab, wurde Ende 2012 geschlossen. Neben Imamen entsenden die Verbände auch geschulte Helfer in die Haftanstalten. 2014 wurde die Zusammenarbeit aufgewertet und die Seelsorger wurden offiziell vom Ministerium berufen. Seit 2016 gibt es gemeinsame Fortbildungen von muslimischen und christlichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Seit 2015 bietet das Institut für Islamische Theologie in Osnabrück zudem einen Masterstudiengang mit dem Schwerpunkt Seelsorge an.

Für Wirbel sorgte vor einem Jahr die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem türkischen Moscheeverband Ditib in der Gefängnisseelsorge durch das Justizministerium in Hannover. Hintergrund war eine befürchtete Einflussnahme der Türkei auf die Seelsorger der Ditib. Betroffen waren allerdings nur 3 der damals 19 Seelsorger.