Hannover. Geeignete Baugrundstücke können unter bestimmten Bedingungen enteignet werden, in Tübingen hat der Oberbürgermeister das angestoßen. In Niedersachsen gibt es keine derartigen Pläne - und dafür andere Vorstöße und Ideen.

Die Enteignung baureifer Grundstücke, die im Südwesten unter bestimmten Bedingungen möglich ist, ist in Niedersachsen derzeit kein Thema. "Wir haben keine entsprechenden Pläne", sagte ein Sprecher des Bauministeriums dazu in Hannover. "Wir arbeiten derzeit daran, andere bereits bestehende Regeln zum Schutz und Erhalt von Wohnraum verbessern zu können." Dazu gehöre etwa, vorhandene Baulücken zu schließen.

Bereits Anfang Februar hatte das Kabinett eine auf fünf Jahre befristete Gesetzeslockerung beschlossen. Sie soll die Schaffung von bezahlbaren Wohnungen durch Umbau, Erweiterung und Umnutzung bestehender Immobilien erleichtern. So sollen etwa Anforderungen an den Bau von Autostellplätzen sowie die Barrierefreiheit in bestimmten Fällen ausgesetzt werden. Auch das Aufstocken von Gebäuden und der Ausbau des obersten Geschosses sollen erleichtert werden.

"Es ist ein Problem, Bauland zu gewinnen, doch durch Enteignungsverfahren kommt man da nicht weiter", sagte Jan Arning, Geschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages. Das könne zu jahrzehntelangen Verfahren führen. "Besser ist es, auf Ausgleichsleistungen zu verzichten oder vorhandene Gebäude aufzustocken", meinte er mit Blick auf den Wohnungsbedarf. "Ich habe aus Niedersachsen nicht gehört, dass es entsprechende Versuche gibt, unbebaute Grundstücke zu enteignen", sagte Arning. "In den Städten gibt es ja auch gar nicht mehr so viele Grundstücke."

"Im Moment ist das kein Thema in Niedersachsen", sagte auch Thorsten Bullerdiek, Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes. "Gemeinden haben das Vorkaufsrecht, das führt oft zum Erfolg", sagte er. "Eine Enteignung in dem Zusammenhang ist nur das letzte Mittel, die gesetzlichen Hürden sind sehr hoch." Bullerdiek waren ebenfalls keine derartigen Fälle aus jüngster Zeit bekannt.

In Baden-Württemberg hatte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) im vergangenen Jahr Briefe an Grundstückseigentümer verschickt, die er zum Verkauf ihrer Flächen zwingen wollte, wenn sie diese nicht bebauen. Er stützte sich dabei auf Paragraf 176 des Baugesetzbuches, der ein Baugebot formuliert. Komme ein Eigentümer dem nicht nach, könne ein Enteignungsverfahren eingeleitet werden, hieß es in Tübingen.

Auch der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck hält Enteignungen prinzipiell für denkbar. Wenn etwa Eigentümer brachliegender Grundstücke weder bauen noch an die Stadt verkaufen wollten, müsse notfalls die Enteignung folgen, sagte er im vergangenen April der "Welt am Sonntag".

In Niedersachsen will Bauminister Olaf Lies (SPD) dagegen mit einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft dafür sorgen, dass das Wohnen bezahlbar bleibt - trotz Skepsis beim Koalitionspartner CDU. "Jede Wohnung mehr, die unsere Partner bauen, ist gut. Aber am Ende wird das aus meiner Sicht nicht ausreichen", sagte Lies am Montag in Hannover. "Wir werden uns jetzt bis zum Sommer Gedanken machen müssen, wie eine Struktur aussehen kann, welche rechtlichen Möglichkeiten da sind." Dann komme es darauf an, ob es innerhalb der Landesregierung eine Mehrheit für eine Wohnungsbaugesellschaft gebe.