Hannover. Schon vier Sturmfluten nacheinander haben die Nordseeküste und die Inseln nach Sturmtief “Sabine“ getroffen. Wie hoch die Schäden sind, muss erst noch in einigen Tagen geklärt werden. Auf Wangerooge sind die Folgen aber bereits zu sehen.

Eine ungewöhnliche Serie von Sturmfluten in Folge von Sturmtief "Sabine" macht den ostfriesischen Inseln und der niedersächsischen Nordseeküste weiter zu schaffen. Anhaltend hohe Windgeschwindigkeiten und konstante Westwindlage sorgten seit Montagmittag für bislang vier Sturmfluten in direkter Folge, teilte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) am Mittwoch mit. In der Nacht zu Mittwoch wurde an einzelnen Pegeln die Grenze zur schweren Sturmflut überschritten. Gegen Mitternacht leitete der NLWKN die Schließung des Emssperrwerkes ein. Inzwischen wurde das Küstenschutzbauwerk wieder geöffnet.

Bei nächtlichem Hochwasser wurde an den Pegeln Cuxhaven und Gandersum die Grenze zur schweren Sturmflut überschritten. An den Pegeln Norderney, Emden, Wilhelmshaven und Bremerhaven blieben die Scheitelwasserstände unter dieser Grenze. Aufgrund der Prognosen des Sturmflutwarndienstes entschied sich der Einsatzstab des NLWKN zur Schließung des Emssperrwerks, das zuletzt im Januar 2019 aus Küstenschutzgründen geschlossen wurde. Auch das Hunte-, das Lesum- und das Ochtumsperrwerk sowie die vom Landesbetrieb unterhaltenen Sperrwerke an der Unterelbe wurden geschlossen.

Statistisch gesehen tritt eine leichte Sturmflut bis zu zehn Mal im Jahr, eine schwere Sturmflut etwa alle zwei Jahre einmal auf. "Die Küstenschutzanlagen in Niedersachsen sind sehr gut auf Ereignisse dieser Art vorbereitet", sagte ein NLWKN-Sprecher. Auch am Mittwochnachmittag und in der Nacht zum Donnerstag wurden erhöhte Wasserstände erwartet. Diese erreichen nach den Prognosen nur noch die Stärke einer leichten Sturmflut. Danach wird vorerst eine Wetterberuhigung erwartet.

Eine genaue Beurteilung möglicher Schäden an den Küstenschutzanlagen auf den Inseln solle nach einem Abklingen der Sturmfluten erfolgen, teilte der NLWKN mit. Begutachtet werden soll dann auch, ob sich daraus Konsequenzen für die Küstenschutzarbeiten im Sommer ergeben. Der Badestrand auf Wangerooge wurde durch den Sturm nach Einschätzung von Bürgermeister Marcel Fangohr (parteilos) stark beschädigt. Teile des Hauptstrandes seien am Montag durch leichte Sturmfluten abgebrochen. Wie ein Sprecher des Umweltministeriums in Hannover sagte, geschehe dies häufiger. Der Strand werde wieder aufgespült.

Die unmittelbaren Auswirkungen der Sturmfluten hielten sich am Mittwoch in Grenzen. In Bremen standen nach Angaben eines Polizeisprechers am Morgen mehrere Straßen unter Wasser. In Bremerhaven und in Norddeich wurden mehrere Parkplätze überschwemmt. Verletzt wurde niemand. Aufgrund der Warnungen wurden alle Autos rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Am Hafen in Cuxhaven stieg das Wasser über die Kaimauern und setzte einige Plätze unter Wasser. Ein Ast fiel dort auf zwei fahrende Autos. Alle Insassen blieben unverletzt. In Papenburg knickte durch den Wind ein Baum um und viel auf ein fahrendes Auto. Auch hier wurde niemand verletzt.

Vor der niederländischen Küste verlor ein Frachter am Dienstag im Sturm fünf Container. Dies meldete die niederländische Küstenwache. In drei der Container sei Papier gewesen. Was sich in den anderen beiden befand, war noch unklar. Als der Frachter "OOCL Rauma" auf der Fahrt von Finnland nach Rotterdam den Verlust meldete, sei er außerhalb der üblichen Schifffahrtsroute für größere Containerschiffe gefahren. Für das Schiff galt wegen seiner geringen Länge nicht die Empfehlung, bei Sturm die nördliche Route weiter abseits der Küste zu nehmen.

Unterdessen haben Berechnungen der zuständigen Behörden der norddeutschen Bundesländer ergeben, dass von einer extremen Sturmflut gut 2,2 Millionen Menschen betroffen wären. Im Vergleich zur vorangegangenen Kalkulation 2015 stieg damit die Zahl leicht um etwa 68 000. Die Angaben beziehen sich auf seltene Hochwasserereignisse, wie sie statistisch alle 200 Jahre oder seltener auf Nord- und Ostseeküste treffen. Solche Sturmfluten würden Deiche und andere Schutzvorrichtungen an ihre Grenzen bringen.

Entsprechend einer EU-Richtlinie haben die Küstenländer bis Ende 2019 die Zahl der Betroffenen neu ermittelt. Die höchste Zahl meldete dabei Nordsee-Anrainer Niedersachsen mit 1,13 Millionen Menschen. In Bremen und Bremerhaven wären 532 257 Bewohner betroffen, in Hamburg etwa 363 000.