Hannover. Die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen stößt wegen der Unterstützung der AfD in Niedersachsen und Bremen auf Widerstand - selbst in den eigenen Reihen. Nur eine Partei sieht das entschieden anders.

Die von der AfD unterstützte Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten hat in Niedersachsen und Bremen für Empörung gesorgt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bezeichnete Kemmerichs Wahl als "abgekartetes, gefährliches Spiel". "CDU und FDP in Thüringen verhalten sich komplett verantwortungslos und öffnen der AfD Tür und Tor", sagte Weil am Mittwoch. Kein Wähler in Thüringen habe im Traum daran gedacht, einen FDP-Politiker zum Ministerpräsidenten zu machen. Die FDP war nur denkbar knapp in den Landtag in Erfurt eingezogen.

Weil erinnerte zudem daran, dass der AfD-Fraktionsvorsitzende in Thüringen, Björn Höcke, als Faschist bezeichnet werden dürfe. "Meine klare Erwartung an die Bundes-CDU und die Bundes-FDP ist: Bringen Sie Ihre Parteifreunde in Thüringen zur Besinnung und zwar schnell!"

Kemmerich hatte bei der Abstimmung am Mittwoch in Erfurt im dritten Wahlgang auch mit Stimmen von CDU und AfD gegen Amtsinhaber Bodo Ramelow von den Linken gewonnen. Der von der AfD aufgestellte Parteilose Christoph Kindervater erhielt dabei keine Stimme.

Auch Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte forderte CDU und FDP im Bund auf, sich von der Wahl zu distanzieren. "Was wir in Thüringen erlebt haben, ist eine faktische Koalition von FDP, CDU und der rechtsradikalen Höcke-AfD", sagte der SPD-Politiker. "Damit hat die FDP den demokratischen Konsens verlassen und die Brandmauer nach rechts eingerissen."

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) nannte die Wahl einen "Dammbruch". "Der tiefste Einschnitt für den Parlamentarismus seit 1949. Damit machen FDP und CDU die AfD salonfähig", schrieb er auf Facebook. Schnellstmögliche Neuwahlen seien die "einzig verantwortbare Konsequenz".

Auch in den eigenen Reihen der FDP gab es einen Aufschrei. Der Bremer FDP-Chef Hauke Hilz bezeichnete es als Fehler, dass Kemmerich die Wahl angenommen habe. "Für mich ist es kaum zu ertragen, dass ein FDP-Kandidat mit den Stimmen der rechtsextremen AfD in Thüringen gewählt wurde", sagte Hilz.

Ähnlich äußerte sich der Landeschef der Jungen Liberalen in Niedersachsen, Lars Alt. "Die FDP-Fraktion in Thüringen hat sich von allen demokratischen Spielregeln verabschiedet und von einer rechtspopulistischen Partei vorführen lassen", sagte Alt. "Diese Kurzsichtigkeit verspottet das Wählervotum und schadet der parlamentarischen Demokratie."

Niedersachsens FDP-Chef Stefan Birkner verwies darauf, dass Kemmerich deutlich gemacht habe, "dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben wird". Sollte die von Kemmerich angebotene Zusammenarbeit mit CDU, SPD und Grünen jedoch nicht zustande kommen, "muss es in Thüringen Neuwahlen geben". Sowohl SPD als auch Grüne hatten einer Zusammenarbeit mit einer Regierung unter Kemmerich da allerdings bereits eine Absage erteilt.

Der Vorsitzende der Jungen Liberalen in Bremen, Johannes Wicht, sagte, die Wahl bedeute keine politische Zusammenarbeit mit der AfD. "Jeder Versuch, die FDP jetzt in die rechte Ecke und in die Nähe der AfD zu rücken, entspricht nicht der Realität und ist lediglich ein Versuch, Profit aus dieser Situation zu schlagen", sagte Wicht.

Der niedersächsische Vize-Ministerpräsident Bernd Althusmann warb für Neuwahlen in Thüringen. Mit "radikalen und populistischen Parteien von links oder rechts" dürfe es keine Kooperation geben, sagte Althusmann. "Das Beste wären jetzt Neuwahlen in Thüringen."

Die Grünen-Fraktionschefin Anja Piel forderte sowohl FDP als auch CDU auf, "jeder Form der Zusammenarbeit mit der AfD" in Niedersachsen eine Absage zu erteilen. Die Grüne Jugend rief für Mittwochabend zu einer Mahnwache für die Demokratie in Hannover auf. Nach Polizeiangaben erwarteten die Veranstalter rund 150 Teilnehmer.

Die AfD begrüßte das Votum in Thüringen indes ausdrücklich. "In Thüringen haben sich die bürgerlich-konservativen Kräfte durchgesetzt", sagte AfD-Landeschefin Dana Guth. "Eine Partei, die um Haaresbreite in den Landtag eingezogen ist, stellt nun den Regierungschef und beendet den rot-rot-grünen Alptraum - und das nur mit Hilfe der AfD."