Hannover. Schon lange wird am Pflegenotstand herumgedoktert, nun steuert der Landtag gegen. Ein Tarifvertrag Soziales soll die Bezahlung und Attraktivität des Pflegeberufs verbessern. Dann steigen aber auch die Pflegekosten. Dagegen hat Ministerin Reimann ein Rezept.

Die rot-schwarze Landesregierung will die unter Fachkräftemangel, Finanznot und oft schlechten Arbeitsbedingungen leidende Altenpflege in Niedersachsen stärken. Mit der Mehrheit von SPD und CDU stimmte der Landtag am Mittwoch für ein Bündel von Maßnahmen, das den Pflegeberuf und seine Bezahlung attraktiver machen und auch die gesellschaftliche Anerkennung steigern soll.

Unter anderem soll ein Tarifvertrag Soziales geschaffen werden, der dann für alle Pflegeanbieter verbindlich sein soll. Wie Sozialministerin Carola Reimann (SPD) erklärte, will Niedersachsen mit der in der Anhörung befindlichen Novelle des Pflegegesetzes festschreiben, dass nur noch Anbieter mit Tariflöhnen eine Finanzunterstützung des Landes erhalten.

Viele der Schritte für eine bessere Situation in der Pflege muss Niedersachsen aber beim Bund durchsetzen. So geht es um ein Verbandsklagerecht für Pflegeanbieter, damit Verbände im Namen der einzelnen Träger auch gegen Schiedssprüche juristisch vorgehen können, die etwa die Vergütung von Pflegeleistungen betreffen. Außerdem sollen Vergütungsvereinbarungen auch mit Dachverbänden der Pflegeanbieter abgeschlossen werden können.

"Es ist auch wichtig, dass auf Bundesebene die Pflegeversicherung weiterentwickelt wird", sagte Reimann. "Bessere Löhne für die Pflegekräfte führen zu steigenden Kosten bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen." Diese müssten immer höhere Eigenanteile zahlen, denn die Pflegeversicherung zahle je nach Pflegebedürftigkeit nur einen festen Zuschlag. Der Eigenanteil müsse künftig bei der Pflegeversicherung begrenzt und auch ein Steuerzuschuss für die Versicherung gezahlt werden.

Der Sozialverband VdK Niedersachsen-Bremen begrüßte die Forderung nach einem Steuerzuschuss als einen Schritt in die richtige Richtung. Die beschlossene Erhöhung des Mindestlohns in der Pflege nämlich werde zwar bei der Suche nach dringend benötigten Fachkräften helfen, wenn auch die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Auf die Heimbewohner käme aber eine weitere Erhöhung der Eigenanteile zu. Dafür reiche die Rente der Betroffenen bei weitem nicht aus. Deshalb müsse die Pflegeversicherung auf ein solides Fundament gestellt werden und mittelfristig alle pflegerischen Leistungen übernehmen.

Keine Unterstützung erhielt ein gemeinsamer Antrag von FDP und Grünen, die ein aufsichtsrechtliches Eingreifen des Landes zur Abwendung eines Pflegenotstands forderten. Wenn die Wohlfahrtsverbände AWO und Diakonie wegen der unzureichenden Vergütung von Pflegeleistungen ihren Rückzug aus der Pflege ankündigten, dann müsse das Land gegenüber den Kostenträgern handeln, hatten die Oppositionsfraktionen argumentiert. Das sei weder belastbar, noch der richtige Weg, hielt Ministerin Reimann dagegen.

Von 2007 bis 2017 stieg die Zahl der Pflegebedürftigen in Niedersachsen von 135 000 auf 192 000 - ein Zuwachs um rund 42 Prozent. Die Zahl der Pfleger wuchs im gleichen Zeitraum um 46 Prozent von 89 000 auf rund 130 000. Vor allem Fachkräfte werden dringend gesucht.