Hannover. Deutschland wird nicht jünger - und in der Pflege herrscht Fachkräftemangel. Wie kann die Lage verbessert werden? Niedersachsen Sozialministerin hat einen Plan.

Im Ringen um eine bessere Pflege hat Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann "ganz schnell" Steuerzuschüsse für die Pflegeversicherung gefordert. "Das muss zügig passieren", sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch auf der Landespflegekonferenz in Hannover. Die Pflegeversicherung sei die einzige Sozialversicherung, die ohne Steuerzuschuss auskommen müsse. Hintergrund ist, dass Heimbewohner in Niedersachsen für ihre Pflege immer mehr aus eigener Tasche bezahlen müssten. Auch rief Reimann dazu auf, die Kommunen stärker in die Verantwortung zu nehmen.

Nach Einschätzung des Experten Thomas Klie von der Evangelischen Hochschule Freiburg ist der durchschnittliche Eigenanteil, den Pflegebedürftige in Niedersachsen bezahlen müssen, mit rund 1500 Euro "moderat". Im Oktober hatte das Land angekündigt, dass Pflegekräfte mehr Geld und mehr Zeit für Pflegebedürftige bekommen sollen. "Die Kehrseite steigender Löhne sind steigende Eigenanteile", mahnte Reimann. Klie regte ein steuerfinanziertes Pflegegeld an. Die Menschen fürchteten steigende finanzielle Belastungen. Auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) betonte: "Die Selbstbeteiligung darf nicht unendlich steigen."

Von 2007 bis 2017 stieg die Zahl der Pflegebedürftigen in Niedersachsen von 135 000 auf 192 000 - ein Zuwachs um rund 42 Prozent. Die Zahl der Pfleger wuchs im gleichen Zeitraum um 46 Prozent von 89 000 auf rund 130 000. Vor allem Fachkräfte werden dringend gesucht. Der Fachkräftemangel sei die "entscheidende Frage" betonte Jasmin Arbabian-Vogel von der Landesarbeitsgemeinschaft der Verbände der Privaten Pflegeeinrichtungen. Nach Angaben von Klie leben mehr als 71 Prozent der auf Pflege angewiesenen Menschen zuhause.

Pflege sei ein Thema, das in die Mitte der Gesellschaft gehöre, sagte der Experte zu einer Stärkung der Kommunen. Es sei eine Frage der Demokratisierung, die kommunale Ebene einzubinden: "Da gehört es hin." Es fehle auch in Niedersachsen an Kurzzeit- und Tagespflegeplätzen, bis 2030 dürften zudem bundesweit rund 500 000 Beschäftigte in der Langzeitpflege fehlen. Die Kommunen müssten Verantwortung für die Pflege-Infrastruktur wie Wohngruppen übernehmen: "Was nützt es, Pflegeheimplätze aufzubauen, wenn ich gar nicht ins Pflegeheim will?"

Mit Blick auf die künftige Rolle der Kommunen betonte Reimann, eine bedarfsgerechte Planung der Pflegestruktur sei auf Landesebene "nicht zu machen". Sie mahnte vorausschauende Planung und die Zusammenarbeit aller Beteiligten an. Den notwendigen Bedarf könnten die Pflegekassen am Ort, aber vor allem die Kommunen am besten einschätzen - daher müssten sie auch verbindlich planen können. Örtliche Pflegeberichte sollten daher in die Planung einfließen.

Weil machte am Beispiel des Nordkreises Osnabrück klar, dass allein dort bis 2035 etwa 35 Prozent mehr pflegebedürftige Menschen erwartet würden. Die bisherigen Systeme in Deutschland seien dafür nicht gerüstet.