Hannover. Aus dem Auto eines LKA-Beamten wurde eine Tasche mit sensiblen Dokumenten gestohlen. Wie fahrlässig war der Beamte?

Nachdem bei einem Einbruch in den Privatwagen eines Beamten neben Geld und dienstlicher EC-Karte auch Akten mit Daten über V-Leute der Polizei gestohlen worden sind, veröffentlichte das Landeskriminalamt nun ein Video des mutmaßlichen Täters. Dieser hatte direkt nach dem Diebstahl am 9. Mai mit der erbeuteten EC-Karte gegen 15.50 Uhr Geld abgehoben. Der Unbekannte ist an einem Geldautomaten in der Nähe des Tatorts gefilmt worden.

Der Verdächtige sei circa 20 Jahre alt, etwa 1,75 Meter groß und schlank. Bei der Tat trug er eine graue Basecap mit einem schwarzen Aufkleber, eine dunkle Sonnenbrille sowie eine schwarze Kapuzenjacke. Darunter trug er ein graues Shirt mit dem Aufdruck "Captain America". Weiterhin war er mit einer dunklen Jogginghose sowie grauen Schuhen mit auffälligen bläulichen Schnürsenkeln bekleidet.

Pistorius: "Fahrlässigkeit ist kaum in Worte zu fassen"

Die Anfang Mai gestohlene Tasche enthielt sensible Dokumente, die Schlüsse auf die Arbeit des Beamten und die Art seiner Informationsbeschaffung zuließen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) führte die schwere Sicherheitspanne auf individuelles Fehlverhalten eines Polizisten zurück. "Es gab kein organisatorisches Versagen", sagte Pistorius vergangene Woche vor dem Innenausschuss des Landtags.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) spricht im Landtag.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) spricht im Landtag. © dpa

"Die Fahrlässigkeit, mit der hier vorgegangen wurde, ist kaum in Worte zu fassen", sagte Pistorius. Es habe aber keine Gefahr für die Arbeit der Behörde oder die V-Leute bestanden. Die Grünen und die FDP im Landtag wollten sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden geben. Sie kritisierten auch, dass Pistorius den Innenausschuss erst nach der Medienberichterstattung über den Vorfall unterrichtet habe.

Angler findet die LKA-Tasche zwei Tage später

Wie LKA-Präsident Friedo de Vries sagte, hatte der Beamte am 9. Mai seinen Dienst unterbrochen, weil er seinen chronisch kranken Sohn in die Kinderklinik bringen musste. Der Mann stellte demnach seinen privaten Wagen auf dem Parkplatz der Klinik ab. Eine Tasche mit Geld, EC-Karte und Dokumenten ließ er im Kofferraum.

Zuhause bemerkte der Polizist, dass die Tasche gestohlen worden war. Er habe dies seinem Vorgesetzten gemeldet und den Diebstahl angezeigt. Am Morgen des 11. Mai habe ein Angler die Aktentasche an einem Teich gefunden und zur Polizei gebracht. Geld, EC-Karte und Handy fehlten, die Dokumente waren noch da.

Eine Untersuchung der Spurensicherung ergab laut de Vries, dass sich die relevanten Unterlagen in unverändertem Zustand in der Aktentasche befanden. "Um eine Mappe war ein Gummiband gespannt. Dokumente und Bilder waren in dieser Mappe im selbem Zustand, wie sie zuvor einsortiert worden waren." Es gebe daher eine "hohe kriminalistische Wahrscheinlichkeit", dass es sich um ein Eigentumsdelikt gehandelt habe. Das Landeskriminalamt und die betroffenen V-Leute seien nicht geschädigt worden.

PIN mit EC-Karte aufbewahrt – Wagen nicht abgeschlossen?

Direkt nach dem Diebstahl hat der mutmaßliche Täter mit der erbeuteten EC-Karte Geld abgehoben. Laut LKA-Chef soll es sich um eine dienstliche EC-Karte gehandelt haben, die auf den Tarnnamen des Beamten ausgestellt war. Wie der Täter an die PIN-Nummer kam, sei unklar. Eine Hypothese sei, dass der LKA-Mann den Code in der Nähe der EC-Karte aufbewahrt habe. Der Beamte bestreite dies aber.

Ungeklärt ist außerdem, wie der Wagen von dem Dieb geöffnet wurde. "Der Beamte hat angegeben, das Fahrzeug verschlossen zu haben. Wir haben aber keine mechanischen Aufbruchspuren gefunden", sagte de Vries. Der Beamte habe nicht gegen die Vorschriften verstoßen, indem er die Dokumente im Auto mitführte. "Der Beamte darf diese Art von Unterlagen mitnehmen, er muss aber dafür Sorge tragen, dass sie vor dem Zugriff Dritter geschützt sind." Der Mann sei von seinen operativen Aufgaben entbunden worden, ein Disziplinarverfahren sei eingeleitet worden.

Der FDP-Abgeordnete im Innenausschuss, Marco Genthe, hielt die Darstellung für wenig glaubwürdig. "Wie können Sie ausschließen, dass es kein schädigendes Ereignis gab? Man sieht dem Papier doch nicht an, ob es gelesen oder kopiert wurde?". Für ihre Fraktion bleibe der Fall weiterhin mysteriös, kritisiert auch die Grünen-Abgeordnete Julia Willie Hamburg. Es blieben offene Fragen. Das LKA müsse den Fall lückenlos aufklären, um ähnliche Pannen künftig zu verhindern.