Harz

Wo Hexen wochenlang für die Walpurgis-Nacht trainieren

| Lesedauer: 3 Minuten
Die "Hexen" aus dem Harz sind oft das ganze Jahr aktiv

Die "Hexen" aus dem Harz sind oft das ganze Jahr aktiv

Foto: Swen Pförtner / dpa

Mit den Walpurgis-Feiern im Harz wird symbolisch der Winter ausgetrieben. Die Hexen trainieren schon lange vorher.

Wolfshagen. Wirre filzige Haare, schwarze Zähne, wulstige Warze auf krummer Nase, das Gesicht giftig-grün oder feurig rot, die Augen aschgrau, quittegelb und lila-schwarz: „Kleine Kinder haben manchmal Angst“, sagt Simone Bartjes. Wer der 49-Jährigen und ihren Hexenschwestern mit ihren verwegenen Gewändern, den fulminanten Hüten und den unvermeidlichen Reisigbesen im Dunkeln begegnet, könnte auch als Erwachsener erschauern. Bartjes gehört zur „Wolfshäger Hexenbrut“, der wohl bekanntesten Hexengruppe im Harz.

„Sie sind die Besten“, schwärmt Burkhard Pahl, der ehrenamtliche Bürgermeister des 2500-Seelen-Ortes am nördlichen Rand des Mittelgebirges. „Im ganzen Harz gibt es keine interessantere Hexentruppe als unsere.“

Auch deshalb fiebern die Wolfshäger ihrer Walpurgis-Feier mit Ungeduld entgegen. Die Nacht zum 1. Mai, in der Hexen, Teufel und andere dämonische Gestalten im Harz traditionell ihr Unwesen treiben, ist in den meisten Dörfern und Städtchen des Mittelgebirges der gesellschaftliche Höhepunkt des Jahres.

„Bei uns ist dann der ganze Ort auf den Beinen“, sagt Bürgermeister Pahl. „Und wir haben wir viele Gäste, die zum Teil von weit her kommen.“ Die größte Attraktion zu Walpurgis sind die Aufführungen und Tänze der „Hexenbrut“. Knapp 30 Hexenschwestern gehören zu der Gemeinschaft, die seit mehr als einem Jahrzehnt von „Oberhexe“ Antje Wedde angeführt wird. Die 50-Jährige ist auch für die Choreographie verantwortlich. „Wir müssen viel üben“, sagt Wedde.

Dabei sind Hexenschwestern unermüdlich. Dass an diesem Nachmittag ein eisiger Wind über den Festplatz fegt und Schneeflocken vom Harzer Himmel trudeln, stört die Frauen nicht. „Es macht einfach Spaß“, sagt Annette Habig (45), die im Alltag Kräuterwanderungen für Touristen anbietet. Janina Pilka, seit drei Jahren Hexenschwester, findet Tanzen toll. „Außerdem können wir so das Brauchtum erhalten“, sagt die Hörgeräte-Akustikerin.

Für ihr Hobby nehmen die Frauen einiges auf sich. Gesicht schminken, Haare toupieren, die mehrfarbigen Kontaktlinsen einsetzen, Zähne schwärzen, Hakennase anpassen. „Alleine das Verwandeln in eine Hexe dauert eine bis zwei Stunden“, sagt Miriam Schröder, die mit 21 Jahren eine der jüngsten Hexen ist.

Und die Metamorphose ist mehr als einmal erforderlich. Denn die „Hexenbrut“ ist nicht nur eine lokale Attraktion in der Walpurgisnacht. „Wir sind das ganze Jahr aktiv und haben im Schnitt mehr als 70 Auftritte bei Hochzeiten, Geburtstagsfeiern oder Jubiläen“, sagt Oberhexe Wedde. Zwischen acht und zwölf Hexenschwestern sind bei jedem Auftritt dabei. Und das mit Erfolg.

„Bessere Botschafterinnen für den Harz und die traditionellen Walpurgis-Feiern gibt es jedenfalls nicht“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer des Harzer Tourismusverbandes HTV, Andreas Lemberg. Deshalb lässt der Verband die „Hexenbrut“ gerne auch bei Tourismus-Messen agieren.

Neben der Freude am Tanz eint die Wolfshäger Hexenschwestern das Vergnügen, in eine Rolle zu schlüpfen. „Als Hexe hat man eine ganz andere Identität als sonst“, sagt Christiane Heinze. „Man verändert sich, wenn man als Hexe auftritt. Man wird selbstbewusster und lockerer.“ Angst vor den Wolfshäger Hexen müsse aber niemand haben, sagt Simone Bartjes. „Denn wir sind gute Hexen und ganz lieb.“

Das sehen wohl auch die Herren in Wolfshagen so. Sonst hätten sie die Frauen sicher nicht als Abteilung „Hexentanz“ in den örtlichen Männerturnverein aufgenommen.

( dpa )