Markus Bönig vernetzt Patienten, Pfleger, Ärzte und Apotheker. Seine Plattform mit Sitz in Buchholz gewann jetzt den Zukunftspreis Logistik.

Buchholz. Markus Bönig wollte nicht irgendeine Firma gründen, mit der sich Geld verdienen lässt. Der 37 Jahre alte Diplom-Kaufmann aus Jesteburg wollte etwas tun, mit dem er einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft leistet. Er wollte ein soziales Problem mit wirtschaftlichen Mitteln lösen. Dass am Ende dieses Prozesses nun seine Kommunikationsplattform Ordermed (unter ordermed.de) steht, die Apotheken, Pflegekräfte, Kranke und Ärzte auf vollkommen neue Weise miteinander vernetzt und so umständliche Wege und Wartezeiten beim Ausstellen von neuen Rezepten verhindert, hätte er sich vor vier Jahren nicht gedacht.

"Ich wollte einfach etwas dagegen unternehmen, dass so viele ältere Menschen alleine wegen Fehlern bei der Medikamenteneinnahme in ein Pflegeheim müssen", sagt er. Von der Süderelbe AG und der Logistik-Initiative Hamburg ist Ordermed jetzt mit dem Zukunftspreis Logistik ausgezeichnet worden.

Es war auf dem Vision Summit, einer Tagung in Berlin im Jahre 2008, als Markus Bönig, der damals noch als Strategiemanager beim Telekommunikationsunternehmen Cisco Systems arbeitete, die Idee kam, ein eigenes Sozialunternehmen zu gründen. Die besondere Atmosphäre dieses Treffens muss ihn inspiriert haben, denn dort werden zukunftsorientierte Konzepte für die Lösung wichtiger gesellschaftlicher Probleme wie Armut, Klimawandel und Ressourcenknappheit besprochen. Der Vision Summit selbst bezeichnet sich als "Internationale Leitkonferenz für Social Innovation (soziale Innovation) und Social Entrepreneurship (soziales Unternehmertum)".

+++Logistikpreis geht in die zweite Runde+++

Über Hanns-Stephan Haas, Vorstandsvorsitzender der evangelischen Stiftung Alsterdorf, kam Markus Bönig mit der bundesweiten Initiative Daheim statt Heim in Kontakt. Warum müssen alte Menschen überhaupt in ein Pflegeheim ziehen? Diese Frage stellt sich Bönig und fand heraus, dass ein Viertel aller Heimeintritte in Deutschland auf Unregelmäßigkeiten bei der Medikamenteneinnahme zurückzuführen sind. Fehlendes Wissen, Vergesslichkeit, ein zu weiter Weg zur Apotheke oder schlichtweg zu schlechtes Wetter - die Gründe dafür sind vielfältig.

Das von ihm im August 2011 gegründete Unternehmen Ordermed mit Sitz in Buchholz soll diese Probleme in Angriff nehmen. Es stellt den Apotheker in den Mittelpunkt, weil er das Bindeglied zwischen Arzt und Patient ist. Zwei Gruppen - die Endkunden und die Pflegedienste, die nur als Mittler Medikamente ordern - können Bestellungen aufgeben. Über ein sogenanntes Medikationscenter, das in die Internetseite der lokalen Apotheke integriert ist, können Pflegekräfte und Patienten mit einem einzigen Klick Arzt und Apotheker über das nötige Folgerezept informieren.

Dann erhält der Arzt ein Fax, die Apotheke holt das Rezept ab und liefert die Medikamente zum Kunden oder stellt sie zur Abholung bereit. Die Packungsgröße ist beispielsweise durch das Einscannen der Medikamentenpackung per Handy bekannt. "Dieses Medikationscenter ist eine kleine Revolution", ist Bönig von der Tragweite seiner Geschäftsidee überzeugt. Denn Ordermed verhindere so unnötige Wege und Wartezeiten.

Die potenzielle Kundschaft ist riesig. Laut Bönig benötigen sieben Millionen Menschen in Deutschland dauerhaft mehr als vier Medikamente gleichzeitig. "Und diese chronisch Kranken brauchen immer wieder Folgerezepte", sagt er. Mussten sie dafür bisher immer wieder zum Arzt und zur Apotheke, reicht jetzt ein Mausklick.

Hinzu kommt die große Gefahr, die von den Wechselwirkungen der Medikamente untereinander ausgehen kann. "Wenn die Patienten beispielsweise ein Medikament nehmen, das bestimmte Nebenwirkungen hat, werden die meistens mit einem weiteren bekämpft", sagt Bönig. Auf diese Weise kann ein Teufelskreis in Gang kommen, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Bei Ordermed ist das Vergangenheit, denn die Apotheke vor Ort erhält einen Überblick über alle Medikamente, die ein Patient einnimmt, und kann die unterschiedlichen Ärzte auf eventuelle Fehler hinweisen, wenn bestimmte Medikamente untereinander Wechselwirkungen haben. Da es sich dabei jedoch um äußerst sensible Daten handelt, sichert Ordermed absoluten Datenschutz zu. "Der Patient ist ja derjenige, der bei der Anmeldung von sich aus zustimmen muss."

Bönig hält Ordermed für eine gute Stütze der lokalen Apotheken im Kampf gegen überregionale Versandapotheken. Die Kunden könnten sozusagen die Vorteile einer Bestellung im Internet nutzen, müssten aber nicht auf die Beratung durch den Apotheker ihres Vertrauens verzichten. Auf der anderen Seite sichere Ordermed den Apotheken einen festen Kundenstamm, zumal 80 Prozent der Arzneimittelausgaben auf 15 Prozent der Krankenversicherten - die chronisch Kranken - entfalle.

Bönig ist davon überzeugt, dass sein Unternehmen, zu dem noch die zwei Mitbegründer Frank Ochsendorf und Arnd Dierk Müller gehören, spätestens bis Weihnachten eine bundesweite Reichweite haben wird. Bisher sind 500 eigenständige Apotheken mit im Boot - wenn es einmal 1200 sein werden, will Bönig auch über die Selbsthilfeverbände auf die Endkunden zugehen. Bei den Pflegediensten und Pflegeheimen gibt es derzeit 1000 Nutzer.

"Allmählich trauen wir uns aus der Deckung", umschreibt Bönig das vorsichtige, strategische Vorgehen seiner Firma, deren Funktionstüchtigkeit er zuvor bei Apotheken und Kunden im Landkreis und Bezirk Harburg getestet hat. Vom 10. bis zum 13. Oktober wird er Ordermed zudem auf der Expopharm, der internationalen pharmazeutischen Fachmesse, und beim Deutschen Apothekertag in München präsentieren.

Pläne für Folgeprojekte hat Bönig aber schon jetzt. "Wir arbeiten an weiteren Systemen, zum Beispiel für Hausärzte oder Kliniken", sagt er. Und für eine "Pille to go" soll es eine Extrakampagne geben.