Der dreijährige Jannic stürzte in einen tiefen Schacht - seine Erzieherin sprang mutig hinterher. Gestern erhielt sie Rettungsmedaille.

Oldendorf. Ina König wirkt ein bisschen verschreckt ob des Rummels in ihrem Kindergarten St. Nicolai in Oldendorf, Flecken Salzhemmendorf im Landkreis Hameln-Pyrmont. Aber die 37-Jährige hat, kaum drei Wochen ist das erst her, Schlagzeilen gemacht. Und was für welche: Vom "Wunder vom Osterberg" war die Rede. Dabei war es die Courage der Kindergärtnerin, die dem dreijährigen Jannic das Leben gerettet hat. Und deshalb kam gestern der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) in den Kindergarten, um ihr die Rettungsmedaille des Landes Niedersachsen zu verleihen. "Ihr mutiger Einsatz hat ohne Zweifel das Kind vor dem Ertrinken gerettet", sagte McAllister. Die so Geehrte gab sich bescheiden: "Ich freue mich darüber, dass ich die Auszeichnung entgegennehmen darf - aber noch viel mehr darüber, dass es Jannic und mir so gut geht, dass wir freudig in die Zukunft blicken können."

Es war auf einem Waldspaziergang am Montag, 9. Juli, als der drei Jahre alte Jannic im Osterwald durch eine schlecht gesicherte Abdeckung in einen mehr als 20 Meter tiefen Lüftungsschacht eines alten Kohlebergwerks stürzt. Seine Kindergärtnerin zögert nach Augenzeugenberichten keine Sekunde, fordert die Kindergartenleiterin nur noch auf, die Feuerwehr zu rufen, und springt hinterher.

In 24 Meter Tiefe landet sie, wie der kleine Junge fast unverletzt, das Wasser am Grund bremst den Sturz. Aber eben in diesem eisigen Wasser, da sind sich später die Retter einig, hätte es der kleine Junge nicht allein ausgehalten. Die Kindergärtnerin aber sorgt dafür, dass er in einer winzigen Nische Platz findet, nicht aufgibt.

+++ Kind und Betreuerin nach Sturz in Schacht wohlauf +++

+++ Kind stürzt in tiefen Schacht - Erzieherin springt hinterher +++

Der Absturz passiert um 9.45 Uhr, schon um 9.50 Uhr werden die Höhenrettungstruppe der Feuerwehr Oldenburg und die Ortswehr Osterwald alarmiert. Notärzte und Rettungswagen aus Hemmendorf, Gronau und Hameln eilen zum Unfallort. Höhlenretter Dennis Hacker, 24, und Dirk Ossenkop, 46, werden abgeseilt. Endlich gibt es für die beiden Eingeschlossenen Licht, die Spezialisten vermitteln das Gefühl von Sicherheit. Jannic erhält einen Helm - aus dem gemauerten Schacht können jederzeit Mauersteine herausbrechen. Der Junge wird Zug um Zug hochgeseilt, er zittert, aber er weint nicht.

Zum "Wunder vom Osterberg" gehört, dass Jannic wie die Kindergärtnerin König nur leichte Verletzungen davonträgt: Schrammen und Beulen, Unterkühlung. Wenige Minuten später ist auch die selbstlose Retterin oben. "Es war verdammt kalt da unten", schilderte danach Höhlenretter Ossenkop die Situation: "Das Wasser hatte höchstens fünf bis sieben Grad."

Ministerpräsident McAllister selbst machte dann vor Wochenfrist den Vorschlag, die mutige Frau mit der Rettungsmedaille auszuzeichnen. Und er fuhr selbst nach Oldendorf. Und wohl nur, weil es sich jetzt nicht mehr vermeiden ließ, hat Ina König sich erstmals den Medien gestellt, etwas verschreckt gelächelt wegen des Ansturms, Medaille und Blumen entgegengenommen und kurz gesprochen über den Tag im Osterwald. Wie sie unten in der Tiefe sich selbst Mut zugesprochen hat, indem sie an ihre beiden eigenen Jungen dachte. Ehe Ina König dann den Journalisten den Rücken kehrt, bedankt sie sich noch ihrerseits bei der Feuerwehr für die rasche Hilfe.

Ministerpräsident McAllister formuliert dann noch druckreif: "Unsere Gesellschaft ist angewiesen auf Menschen, die nicht an ihre eigenen Interessen oder ihre eigene Sicherheit denken, sondern sich für andere einsetzen." Und weil nun mal Vorwahlkampf ist, schlägt er noch den Bogen vom Einzelfall zum großen Ganzen: "Die Selbstverständlichkeit, mit der dieser ehrenamtliche Einsatz in Niedersachsen gelebt wird, ist beispielhaft."