Zehn Jahre “Homo-Ehe“ in Deutschland. Heinz-Friedrich Harre und Reinhard Lüschow waren die Ersten, die sich das Ja-Wort gaben.

Hannover. Ihre Prominenz verdanken sie Hannovers einstigem Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg. Der SPD-Politiker wollte damals, am 1. August 2001, nämlich unbedingt dabei sein, als im Standesamt die erste "Homo-Ehe" in seiner Stadt geschlossen wurde. Schmalstieg hatte aber nur um 8.20 Uhr Zeit, und so wurde der Termin für die Zeremonie vorgezogen. Heinz-Friedrich Harre und Reinhard Lüschow waren wegen dieses frühen Termins das bundesweit erste gleichgeschlechtliche Paar, das eine Lebenspartnerschaft amtlich besiegelte. Bilder von ihrem Kuss im Trauzimmer des Standesamts Hannover gingen vor zehn Jahren um die halbe Welt.

Ruhm für die Richtigen: Schließlich waren es diese beiden Männer gewesen, die fast ein Jahrzehnt für die Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren durch alle Instanzen gekämpft hatten. In einem ersten Verfahren unterlagen sie noch - aber dann schlossen sich die höchsten Richter in Karlsruhe der Auffassung an, der Gesetzgeber müsse die geltende Diskriminierung beenden. Die Folge: das Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften, das am 1. August 2001 in Kraft trat. Der Bund fürs Leben, er hat bei Harre und Lüschow bisher gehalten, auch wenn es, wie in jeder Verbindung, manchmal tüchtig kracht. "An Scheidung habe ich nie gedacht, an Mord häufiger", sagt der 58-jährige Harre und lächelt seinen Partner an.

Wer das Paar besucht, der hat vor allem den Eindruck, dass die beiden Männer verliebt sind. Der Verwaltungsangestellte und der Beamte haben sich eingerichtet im Süden von Hannover, große Sitzgruppe, gläserner Esstisch, auch antike Möbel - ein Paar mit Stil. Der kleine Balkon ist regelrecht überladen mit Blumenkästen und Blumentöpfen - und auf eine Pflanze weist Heinz-Friedrich Harre lächelnd hin: "Männertreu in voller Pracht."

Rosenhochzeit also ist heute, zehn Jahre - auch dank klarer Regeln. "Wir streiten über alles - außer übers Geld", sagt Steuerfachmann Lüschow. Jeder habe sein eigenes Konto behalten, über die gemeinsamen Ausgaben wird penibel Buch geführt, am Monatsende wird abgerechnet. Der Ton zwischen den Partnern ist burschikos, aber immer herzlich: "Für Außenstehende ist unser Humor vielleicht ein bisschen gewöhnungsbedürftig", sagen die Männer.

Über die oft gestellte Frage nach der Rollenverteilung in ihrer Partnerschaft können sie sich immer noch amüsieren: "Wir sind zwei Männer, die sich lieben." Was konkret bedeute, jeder tue das, was er am besten könne. Und beim Bügeln etwa sei Reinhard Lüschow nicht zu schlagen: "Das hat mir damals meine Frau beigebracht, ich mag es gerne akkurat."

Lüschow war nämlich schon einmal verheiratet, die Ehe ging in die Brüche. Dann lernten sich die beiden Männer kennen, sind jetzt seit 23 Jahren ein Paar. Dass die Zahl der Trennungen von gleichgeschlechtlichen Paaren deutlich niedriger liegt als bei Heterosexuellen, führt Lüschow auf ganz pragmatische Gründe zurück: "Nach dem 1. August 2001 haben viele homosexuelle und lesbische Paare geheiratet, die lange darauf gewartet haben." Will sagen: Die waren oft schon viele Jahre liiert und wussten, auf wen und was sie sich einließen.

Wenn Männer wie Reinhard Lüschow und Heinz-Friedrich Harre von Heirat sprechen, dann ist da immer auch etwas Trotz im Spiel. Zwar haben die beiden damals dafür gesorgt, dass der Gesetzgeber Geschichte schreiben musste. Aber lieber wäre ihnen gewesen, wenn damals entschieden worden wäre, schlicht die Ehe mit allen Rechten und Pflichten auszuweiten auf Homosexuelle und Lesben. Stattdessen verabschiedete der Bundestag das Lebenspartnerschaftsgesetz, das ihnen nicht in allen Punkten Gleichberechtigung verschaffte. An manchen Stellen hat der Gesetzgeber inzwischen nachgebessert, auch die Gerichte haben Korrekturen vorgenommen, sodass Lebenspartnerschaften etwa auch das Ehegattensplitting nutzen können. Gestritten aber wird immer noch über andere Fragen des Steuer- und Beamtenrechts - und vor allem um das gleichberechtigte Adoptionsrecht. Derzeit können schwule und lesbische Paare nur Kinder adoptieren, wenn einer der Partner leibliches Elternteil ist. Reinhard Lüschow beschreibt die Entwicklung: "Wir waren rechtlos, das hat sich Stück für Stück geändert - aber wir sind noch nicht ganz fertig."

Als Heinz-Friedrich Harre und Reinhard Lüschow auch dank einer guten Rechtsschutzversicherung in den 90er-Jahren den Kampf um ein Ende der Diskriminierung aufgenommen hatten, ging es ihnen erklärtermaßen ums Prinzip. Für die eigene, förmliche Partnerschaft haben sie sich erst entschieden, als das Gesetz dann in Kraft trat: "So kitschig es auch klingt, wir sind ein Paar, wir lieben uns, und deshalb haben wir geheiratet."