Mögliche Falschaussage vor nds. Parlament soll untersucht werden. Regierungschef McAllister wusste von umstrittenen Verflechtungen.

Hannover. Nur vier Tage nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff hat die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag eine Verfassungsklage vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg eingereicht. Sie will klären, ob die Landesregierung im Jahr 2010 unter dem Ministerpräsidenten Wulff und erneut im Januar dieses Jahres unter dem Regierungschef David McAllister das Parlament wissentlich belogen hat.

Ebenfalls am Dienstag bestätigte McAllister einen Bericht des NDR Fernsehens. Danach hat er als CDU-Fraktionschef beim strittigen "Nord-Süd-Dialog" im Jahr 2009 über den Wulff-Vertrauten und damaligen Pressesprecher der Staatskanzlei, Olaf Glaeseker, drei Freunde zu der Veranstaltung einladen lassen. Brisant ist die ergänzende Aussage von Regierungssprecher Franz-Rainer Enste, McAllister habe gewusst, dass Glaeseker beim "Nord-Süd-Dialog" als "Poststelle" fungierte.

In den umstrittenen Antworten auf Parlamentsanfragen hat die Landesregierung sowohl im Jahr 2010 als auch im Januar dieses Jahres im Landtag jede organisatorische oder finanzielle Beteiligung an der Mega-Party bestritten und angegeben, die Entscheidung über Einladungen habe ausschließlich beim Event-Manager Manfred Schmidt gelegen. Der "Nord-Süd-Dialog" war eine gemeinsame Party der Länder Niedersachsen und Baden-Württemberg, wurde von 2007 bis 2009 dreimal veranstaltet und dann vom neuen Regierungschef McAllister nicht fortgesetzt.


+++SPD will Nord-Süd-Dialog aufklären: McAllister unter Druck+++

Bereits im Januar hat die Staatsanwaltschaft Hannover gegen Glaeseker und Schmidt ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption eingeleitet. Glaeseker soll sich um Sponsoren für die Veranstaltung auf dem Flughafen Hannover gekümmert und im Gegenzug kostenlose Urlaube in ausländischen Feriendomizilen von Schmidt gemacht haben. Dann wurde auch noch bekannt, dass das Land sich entgegen der Beantwortung der Anfragen des SPD-Abgeordneten Heiner Bartling durch das Sponsoring von Kochbüchern für die Gäste der Party und den Einsatz von Servicekräften der Medizinischen Hochschule doch finanziell an der Durchführung der Party beteiligt hat.

Die Klage der SPD-Fraktion zielt aber nicht in erster Linie auf die falschen Antworten aus 2010, sondern auf den Auftritt von Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) im Januar dieses Jahres. Er hatte anfangs noch darauf beharrt, die Landesregierung habe alle Fragen korrekt beantwortet. Möllrings spätere Einlassung, er sei von Glaeseker getäuscht worden, will SPD-Fraktionschef Stefan Schostok nicht gelten lassen: "Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass die Landesregierung ihre verfassungsgemäßen Pflichten vernachlässigt und sogar wider besseres Wissen die falschen Antworten der Regierung Wulff aus dem Jahr 2010 bestätigt hat." Schostoks Verdacht: "Es war das Ziel der Landesregierung unter Ministerpräsident McAllister, das Fehlverhalten seines Vorgängers zu decken."

Die SPD rechnet mit einer Entscheidung des Staatsgerichtshofs in Bückeburg binnen höchstens sechs Monaten. Damit aber bleibt die Wulff-Affäre absehbar auf der politischen Tagesordnung in Niedersachsen. Bereits morgen wird der Landtag erneut über das Thema diskutieren, und dann wird die Opposition auch Auskunft von Regierungschef McAllister über seine Rolle verlangen. "Die Affäre Wulff rückt näher an David McAllister heran", stellte dazu gestern Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel fest. Vielen Beteiligten sei damals die aktive Rolle des Wulff-Vertrauten bekannt gewesen: "Die Behauptung vom allein agierenden Glaeseker wird immer mehr zur Ausflucht."

McAllister selbst kann der Klage der SPD vor dem Staatsgerichtshof etwas Gutes abgewinnen: "Wir begrüßen sogar, dass dieser Schritt beschritten wird, weil wir dann Klarheit bekommen über die einzelnen angeblich offenen Punkte." Er verwies auf große Anstrengungen der Landesregierung zur Klärung durch die Beantwortung Hunderter von Fragen und durch die Einschaltung des Landesrechnungshofes: "Ich sehe der Erhebung dieser Klage mit größtmöglicher Gelassenheit entgegen", so McAllister.

Mit Spannung wird erwartet, ob im Landtag erneut Finanzminister Möllring auf alle Fragen der drei Oppositionsparteien antworten oder sich Ministerpräsident McAllister inhaltlich zu den Vorwürfen auch gegen ihn persönlich äußert. Ende Januar hatte McAllister laut NDR vor Journalisten noch festgestellt: "Das, was jetzt an Vorwürfen hochkommt, erstaunt, befremdet, verwundert."