Schwerin. Zwei Jahre dauert der Streit um den Fortbestand der Klimastiftung MV. Stiftungsvorstand Sellering hatte sich vehement gegen die Auflösung gestemmt. Nun trat er zurück, die Stiftung aber soll bleiben.

Mecklenburg-Vorpommerns früherer Ministerpräsident Erwin Sellering hat überraschend seinen Rücktritt vom Amt des Vorstandsvorsitzenden der Klimastiftung MV erklärt. Er gehe davon aus, dass sich mit seinem Abschied auch das Land als Stifter zurückziehe und so die Stiftung fortgeführt werden könne, teilte der SPD-Politiker am Freitag in Schwerin mit.

Um den Fortbestand der umstrittenen Stiftung, die Anfang 2021 auf Betreiben der Landesregierung gegründet worden war, um die Fertigstellung der Erdgasleitung Nord Stream 2 zu ermöglichen, gibt es seit langem Streit. Zwar hatte der Landtag im März 2022 als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine die Auflösung der Stiftung beschlossen. Doch hatte Sellering, von der Landesregierung mit der Leitung betraut, dies unter Hinweis auf die Maßgaben des deutschen Stiftungsrechts abgelehnt und die Stiftung gegen den Willen von Parlament und Regierung fortgeführt.

„Der Vorstand hat die Stiftung über Jahre gegen alle Angriffe und Auflösungsversuche erfolgreich verteidigt“, erklärte Sellering. Es sei nun klar, dass diese ohne rechtliche Grundlage gewesen seien. Damit stehe fest, dass die Angriffe nicht mehr ernsthaft fortgesetzt werden könnten und die Zukunft der Stiftung gesichert sei. „Das ist für mich ein guter Zeitpunkt, um zurückzutreten“, sagte der 74-Jährige.

Laut Satzung obliegt es der Landesregierung, nun einen neuen Vorstand einzusetzen. Dazu gab es am Freitag aber noch keine Informationen aus der Staatskanzlei. Das Verhältnis zwischen Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und ihrem Vorgänger und einstigen Förderer Sellering (beide SPD) gilt wegen dessen Agieren als Chef der Klimastiftung als schwer belastet.

Eine Reaktion auf Sellerings Rücktritt kam hingegen aus dem Innenministerium. „Die Landesregierung nimmt diesen Schritt mit Respekt zur Kenntnis. Das Ziel der Landesregierung ist es, die Stiftung in die Zivilgesellschaft zu überführen“, machte Innenminister Christian Pegel (SPD) deutlich, der als Architekt der Stiftung gilt. Dieser Weg basiere auf dem Vorschlag eines vom Landtag beauftragten Rechtsgutachters. „Die Landesregierung ist dazu gern gesprächsbereit“, betonte Pegel. Große Teile der Opposition im Landtag beharren aber auf Auflösung.

Das Gutachten hatte Sellerings Rechtsposition bestätigt, dass die Stiftung nicht rechtssicher aufgelöst werden kann. Der Gutachter regte daher an, die Stiftung aus dem politischen Einfluss des Landes zu lösen und ganz an die Zivilgesellschaft zu übertragen. Das strebte zuletzt auch Sellering per Satzungsänderung an. Dem Vernehmen nach liegen die Vorschläge dazu bereits bei dem für die Stiftungsaufsicht zuständigen Justizministerium.

Die Stiftung ist umstritten, weil sie vor allem mit Geld aus Russland finanziert wird. Die Nord Stream 2 AG, ein Tochterunternehmen des russischen Staatskonzerns Gazprom, brachte für Umweltprojekte 20 Millionen Euro in die Stiftung ein, das Land gab 200 000 Euro als Stiftungseinlage. Außerdem finanzierte Nord Stream 2 die wirtschaftlichen Aktivitäten zur Fertigstellung der russisch-deutschen Gasleitung unter dem Dach der Stiftung mit mindestens 165 Millionen Euro. Ein Sonderausschuss des Landtags befasst sich mit den Umständen der Stiftungsgründung und dem Wirken der Stiftung.

Sebastian Ehlers, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, hält die Auflösung der Stiftung weiter für möglich und erinnerte an eine gemeinsame Vereinbarung zwischen Stiftung und Landesregierung von Mai 2022: „Darin ist festgehalten, dass die Ministerpräsidentin nach dem Rücktritt des Vorstandes die Vorstandsmitglieder umgehend mit sofortiger Wirkung von ihren Ämtern entbindet. Sodann soll die Stiftung aufgelöst bzw. aufgehoben werden“.

Auch wenn Sellering später zurückgetreten sei, als zunächst vereinbart, habe Schwesig nun die einmalige Chance, ihr Versprechen aus dem Frühjahr 2022 einzulösen und die Stiftung abzuwickeln. „Ein neuer Vorstand könnte dieses Vorhaben ganz sicher erheblich begünstigen“, sagte Ehlers. Die CDU-Fraktion biete der Ministerpräsidentin dabei jede gewünschte Unterstützung an.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Constanze Oehlrich, die in der Vergangenheit ebenfalls immer wieder die Auflösung der Klimastiftung verlangt hatte, forderte die geplante Privatisierung auszusetzen und damit die weitere Aufklärungsarbeit zu sichern. „Sellering hat die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu den Skandalen um die russische Einflussnahme auf die Regierung unseres Bundeslandes und die Tätigkeit der „Klimastiftung“ massiv behindert. Diese Vorgänge müssen umfassend aufgeklärt werden. Nur so können aus dem Geschehenen die richtigen Schlüsse gezogen und dafür Sorge getragen werden, dass unser Bundesland nicht noch einmal eine so skandalöse Rolle in einer internationalen Sicherheitsfrage spielt“, betonte Oehlrich. Die Öffentlichkeit habe weiterhin ein Recht auf Auskünfte von der Stiftung, das Land dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Um die Offenlegung von Unterlagen der Klimastiftung gibt es seit langem Streit zwischen Ausschuss und Stiftungsvorstand. Nach Einschätzung FDP-Fraktionschef René Domke hat Sellering den Gesprächsfaden dazu endgültig reißen lassen. „Die jahrelange Verweigerungshaltung gegenüber Opposition und Landtag findet mit dem Rücktritt nunmehr ein abruptes Ende. Die Regierungsfraktionen dürfen und müssen dies zum Anlass nehmen, ihre Versöhnungsstrategie abzulegen und zu einer gemeinsamen Aufklärungsarbeit zu gelangen“, mahnte Domke.