Schwerin (dpa/mv). Nach dem Mauerfall wurden Milliarden in den Ausbau des Straßennetzes in Mecklenburg-Vorpommern gepumpt. Nun bekommt der Erhalt der Straßen immer mehr Bedeutung. Doch auch Neubauprojekte gibt es noch.

Land und Bund stocken ihre Mittel für den Straßenbau in Mecklenburg-Vorpommern auf. Wie Wirtschaftsstaatssekretärin Ines Jesse am Dienstag in Schwerin mitteilte, stehen für das laufende Jahr insgesamt 171 Millionen Euro und damit 20 Millionen mehr bereit als 2023. Das Land selbst erhöhe seinen Mitteleinsatz geringfügig und profitiere vor allem davon, dass der Bund seine Ausgaben für den Straßenbau hochfahre. Zudem habe Berlin weitere knapp 13 Millionen Euro in Aussicht gestellt, falls die Baukosten weiter steigen. Für Sanierung und Bau von Bundesstraßen seien vorerst gut 99 Millionen Euro eingeplant, für Landesstraßen knapp 72 Millionen.

Sowohl für die Umsetzung der für das Land geplanten Mobilitätsoffensive als auch für die Wirtschaft und den Tourismus in MV seien gut ausgebaute Straßen eine Grundvoraussetzung. Mit dem Geld sollten vorrangig vorhandene Straßen saniert werden. „Es gilt weiter die Maxime: Schwerpunkt ist die Erhaltung“, betonte Jesse. Doch würden auch künftig neue Verkehrswege gebaut und das Netz an Radwege erweitert.

Größte Neubaumaßnahme an Bundesstraßen ist in diesem Jahr der Weiterbau der Ortsumgehung Wolgast (Landkreis Vorpommern-Greifswald), für die 2024 weitere 20 Millionen Euro eingeplant sind. Die Herausforderung sei dabei der Bau einer neuen Brücke über die Peene zur Insel Usedom. Landseitig liefen bereits die Vorarbeiten. „Wir hoffen, dass wir 2028 die Verkehrsfreigabe erteilen können“, sagte der Direktor des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr, René Firgt. Die Gesamtkosten des auch für den Tourismus bedeutsamen Straßenprojektes bezifferte er mit weit mehr als 200 Millionen Euro. Der Bund stehe zu seiner Zusage, die Kosten vollständig zu tragen.

Zudem solle nun endlich mit der Umgehungsstraße Mirow (Mecklenburgische Seenplatte) begonnen werden. Zu dem Vorhaben sei derzeit allerdings noch ein Gerichtsverfahren anhängig. „Wir sind intern aber so aufgestellt, dass wir sofort loslegen können, wenn wir das Go bekommen“, sagte Firgt. Nach Ausschreibung und Vergabe könne voraussichtlich für Ende des Jahres mit dem Baubeginn gerechnet werden. Weitere größere Vorhaben seien die Ortsumfahrung für Dargun (Mecklenburgische Seenplatte) und der zweite Bauabschnitt im Zuge der erneuerten Ortsdurchfahrt Tutow (Landkreis Vorpommern-Greifswald). Landesmittel flössen unter anderem in die Fahrbahn-Erneuerung auf den Landesstraßen bei Buschenhagen (Landkreis Vorpommern-Rügen) und zwischen Silz und Cramon (Nordwestmecklenburg). Firgt räumte ein, dass allein die Steigerung der Baukosten einen Großteil der zusätzlichen Investitionsmittel verschlinge.

Nach den Worten Jesses soll auch der Radwegebau weiter vorangetrieben werden. Der Bund stelle für Radwege entlang der Bundesstraßen 11,2 Millionen Euro bereit. Für einen effektiven Einsatz der Landesmittel habe das Ministerium eine Liste mit Vorzugsprojekten erstellt, die nun noch mit den Kommunen abgestimmt werden solle. Laut Jesse wurden dafür etwa 1600 Abschnitte entlang von Landesstraßen untersucht. 66 Abschnitte mit einer Gesamtlänge von 98 Kilometern seien ausgewählt worden. Dort sollen bis 2028 neue Radwege entstehen. Jährlich seien dafür Landesmittel im Umfang von 7 Millionen Euro eingeplant. Für 2024 stünden allerdings noch Restmittel aus dem EU-geförderten Lückenschlussprogramm zur Verfügung.

Kommunen und Tourismuswirtschaft fordern seit Jahren vom Land eine zentrale Steuerung und deutlich mehr Geld für den Ausbau des Radwegenetzes. Ein wachsender Anteil sanierungsbedürftiger Radwege und fortbestehende Lücken im Wegenetz hatte in der jüngeren Vergangenheit dazu geführt, dass Mecklenburg-Vorpommern im Urteil der Radtouristen zurückgefallen ist. Laut Ministerium kostet der Bau von einem Kilometer Radweg 300.000 bis 400.000 Euro.

Während die Regierungsparteien die Investitionsprogramme als weitere Schritte zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur begrüßten, übten die Oppositionsfraktionen im Landtag zum Teil massive Kritik. Neue Konzepte bedeuteten noch keine neuen Radwege und für die Unterhaltung der bestehenden 1300 Kilometer Radwege an Landesstraßen sei lediglich eine Million Euro vorgesehen. „Bei diesem beschränkten Mittelvolumen ist es kein Wunder, wenn Mecklenburg-Vorpommern bei Umfragen unter Radtouristen aufgrund des besorgniserregenden Zustands vieler Radwege immer schlechtere Noten erhält“, konstatierte der CDU-Abgeordnete Daniel Peters.

Jutta Wegner von den Grünen sagte, die 2024 für Radwege bereitgestellten Mittel reichten nicht ansatzweise aus, um die dringend benötigte Verkehrswende voranzutreiben. „Um die Nutzung des Fahrrads attraktiver zu gestalten und die Menschen davon überzeugen zu können, das Auto öfter stehenzulassen, muss das Land deutlich mehr finanzielle Ressourcen für den Ausbau der Radinfrastruktur bereitstellen“, forderte sie. Ziel müsse ein flächendeckendes Radwegenetz im gesamten Land sein, das auch aktuellen Bedürfnissen, wie der steigenden Zahl von E-Bikes, gerecht werde.

Der AfD-Abgeordnete Stephan Reuken beklagte eine insgesamt zu geringe Mittelbereitstellung für Verkehrsprojekte. Die aktuellen Finanzmittel reichten nicht aus, um die dringlichsten Projekte zu realisieren. Die zusätzlichen 20 Millionen Euro, die für 2024 locker gemacht würden, seien vor dem Hintergrund massiv gestiegener Baukosten wie ein Tropfen auf den heißen Stein.