Güstrow (dpa/mv). Ein Tourismussiegel „100 Prozent barrierefrei“ kann es realistischerweise für keine Stadt geben. Aber es gibt Orte, die bei dem Thema weiter sind als andere. Güstrow gehört dazu.

Die Barlachstadt Güstrow erhält als erste Stadt in Mecklenburg-Vorpommern das Zertifikat „Tourismusort Barrierefreiheit geprüft“. Damit ist die Stadt bundesweit die 18., die über eine bestimmte Anzahl touristischer Angebote nach strengen Kriterien verfügt. „Dass ein Ort 100 Prozent barrierefrei ist, das geht nicht“, dämpft Rolf Schrader, Geschäftsführer des Deutschen Seminars für Tourismus (DSFT), zu hohe Erwartungen. „Aber wir wollen die Orte hervorheben, die auch ein wenig Leuchtturmcharakter haben.“

Und Güstrow hat die Voraussetzungen aus Sicht des DSFT, das die Kriterien mit Betroffenen- und Tourismusverbänden im Rahmen des Programms „Reisen für Alle“ entwickelte, erfüllt: Zwölf touristische Angebote von Hotels und Restaurants über Museen bis hin zum Wildpark sind zertifiziert. Hinzu kommen drei sogenannte barrierefreie Urlaubsinspirationen. Güstrow wurde für den Zeitraum von September 2023 bis August 2026 zertifiziert. Die Prüfberichte listen nicht nur positive Seiten auf, sondern auch, was Menschen mit Behinderung leider nicht vorfinden. „Wir beschreiben den Ist-Zustand“, sagte Schrader.

Die zwölf Angebote in Güstrow: „Strandhaus am Inselsee Hotel & Restaurant“, „Kurhaus am Inselsee Hotel & Restaurant“ sowie „Hotel am Schlosspark“, Ernst Barlach Museen - Atelierhaus sowie Gertrudenkapelle, Städtische Galerie Wollhalle, Stadtmuseum, Rathaus, Wildpark MV, Pfarrkirche St. Marien und die örtliche Touristinformation. Und auch da gilt: Nicht alle Angebote sind 100 Prozent barrierefrei.

Aufgelistet wird unter anderem, ob, wo und wie viele Behindertenparkplätze zur Verfügung stehen, ob es Aufzüge gibt oder rollstuhlgerechte Zugänge zu Restaurants. Aber auch Fehlanzeigen werden vermeldet: Nur selten gibt es Informationen für Sehbehinderte und Blinde in Braille-Schrift oder eine induktive Höranlage für Menschen mit Hörbehinderung. Die Kriterien umfassen über 50 DIN-A4-Seiten.

Ehrlicherweise müsse man sagen, dass die meisten Anbieter eher an mobilitätseingeschränkte und weniger an sinnesbeeinträchtigte Menschen dächten. „Und das beschreiben wir dann so“, sagte Schrader.

Für den Landestourismusbeauftragten Tobias Woitendorf ist das Zertifikat sehr sinnvoll. „Die Stadt Güstrow trägt mit ihrem Engagement dazu bei, Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen sichtbar zu machen.“ Auch er betont, dass kein Ort und keine Stadt komplett barrierefrei sein könne. „Wichtig sind aber das Wissen um Barrierefreiheit und natürlich das Handeln, allein schon vor dem Hintergrund des demografischen Wandels.“

Die Auszeichnung sei wegweisend für das Urlaubsland MV, vor allem weil es sich um geprüfte Angebote handele, die deutschlandweit gültig und in den zugrundeliegenden Kriterien transparent seien. „Güstrow geht als Pionier voran. Das wäre auch in anderen Städten möglich“, so Woitendorf. Im Nordosten sind insgesamt 115 Einzeleinrichtungen nach „Reisen für Alle“ zertifiziert; bundesweit sind es inzwischen rund 3000. Güstrow erhält die offizielle Urkunde am 22. August.