Stralsund (dpa/mv). Der Werftstandort Stralsund begeht am Donnerstag ein Jubiläum - 75 Jahre Volkswerft. Erst kürzlich startete ein neues Kapitel ihrer wechselvollen Geschichte. Von Gewerkschaftsseite kommt Kritik.

Kurz vor dem 75-jährigen Bestehen der Stralsunder Volkswerft können die norwegischen Schiffbauer Fosen Yard für den Standort einen neuen Auftrag verbuchen. Rund 1000 Tonnen Stahl solle in mehreren Sektionen für eine finnische Werft verbaut werden, sagte Carsten Stellamanns, Geschäftsführer der Fosen Stralsund GmbH, der Deutschen Presse-Agentur. Die Arbeiten dafür liefen seit einigen Tagen. Es handele sich um ein RoPax-Schiff, eine Fähre, die sowohl Ladung als auch Passagiere transportieren kann.

Mit dem Kauf durch die Stadt begann im vergangenen Jahr ein weiteres Kapitel in der wechselvollen Geschichte der Werft. Fosen soll dabei eine wichtige Rolle spielen. Das Unternehmen hat die große Schiffbauerhalle gemietet. Aufträge ließen allerdings zunächst auf sich warten. Als ersten Auftrag hatte die Firma im zurückliegenden Frühjahr eine Hochgeschwindigkeitsfähre repariert und gewartet. In der vergangenen Woche wurde der Traditionssegler „Gorch Fock 1“ auf die Werft gebracht. Fosen soll an ihm umfangreiche Reparaturen vornehmen.

Man habe für beide Projekte insgesamt mehr als 20 Mitarbeiter eingestellt, sagte Stellamanns. „Und es kommen weitere hinzu“, sagte Stellamanns. Es handele sich nicht um befristete Arbeitsverträge. „Mit diesen und hoffentlich weiteren Projekten wollen wir die Leute langfristig beschäftigen.“

Nach der Corona-bedingten Insolvenz der auf Kreuzfahrtschiffe spezialisierten MV-Werften-Gruppe hatte die Stadt die Werft übernommen, um einen maritimen Gewerbepark zu entwickeln. Mittlerweile gibt es mehrere Ansiedlungen - etwa Metallverarbeiter, einen Windkraftanlagenbauer, Spezialisten für Dampfkraftaggregate oder Schiffsreparaturen.

Von Gewerkschaftsseite kommt Kritik an der Entwicklung. Nach Angaben der IG-Metall waren zu MV-Werften-Zeiten zuletzt etwa 600 Menschen auf der Stralsunder Werft beschäftigt. Jetzt seien es „großzügig gerechnet“ etwa 100.

„Was man absolut verpennt hat, ist die ganze Frage Offshore“, sagte Gewerkschafter Guido Fröschke. Da gehe es nicht nur um Anlagen, sondern beispielsweise auch Versorgerschiffe. Seine Kritik richtet sich hierbei auch an die Bundesregierung und bezieht sich auch auf andere deutsche Werftstandorte. In Dänemark hätten sich hingegen Politik, Werften, Gewerkschaft und die Windkraftbranche zusammengesetzt. „Das ist eine Erfolgsgeschichte, was Beschäftigung betrifft.“ In Odense etwa habe es eine Werft mit 3000 Beschäftigten gegeben. Jetzt hätten sie dort einen maritimen Industriepark mit 5000 Beschäftigten. „Bei uns in Stralsund ist es genau umgekehrt.“

Die Stadt spricht hingegen von rund 250 Menschen, die auf dem Werftgelände arbeiteten. Ziel seien 1000 dauerhafte Arbeitsplätze, sagte Stralsunds Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) am Dienstag. „Auf diesem Weg sind wir schon gut vorangekommen.“ Auch weitere Ansiedlungen seien angepeilt.

Laut Stadt wird als Gründungsdatum der Volkswerft der 15. Juni 1948 angesehen - also Donnerstag vor 75 Jahren. An diesem Datum habe der Standort den Namen erhalten. Schon vor 1945 seien am südlichen Stadtrand Schiffe gebaut worden, aber in kleinerem Umfang. 1948 begannen demnach auch die Bauarbeiten für die danach wesentlich größere Werft inklusive der großen Schiffbauhalle. Bald darauf seien hier zu DDR-Zeiten 100 Schiffe pro Jahr gebaut worden - vor allem für den Fischfang. Tausende Schiffsbauer arbeiteten hier. Nach der Wende begann der Umbau zu einer modernen Kompaktwerft. Mehrmals war der Standort von Pleiten wechselnder Eigentümer betroffen. Auch die nun deutlich geringere Zahl der Jobs schwankte.