Schwerin (dpa/mv). Die Bundesregierung sollte stärker dafür werben, dass die Menschen auf Rügen das geplante Flüssigerdgas-Terminal akzeptieren - zumindest nach Ansicht zweier Ministerien in Mecklenburg-Vorpommern.

Das Wirtschafts- und das Umweltministerium in Schwerin fordern messbare Anstrengungen der Bundesregierung, um mehr Akzeptanz für das geplante Flüssigerdgas-Terminal auf Rügen zu erreichen. Den bisherigen Umgang kritisierten Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) und Umweltminister Till Backhaus (SPD) scharf. „Die Kommunikation innerhalb des Bundes und zwischen dem Bund und dem Land Mecklenburg-Vorpommern ist aus meiner Sicht defensiv, und sie ist intransparent“, so Backhaus.

In einem gemeinsamen Schreiben an Habeck, Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und den Beauftragen für Ostdeutschland im Kanzleramt, Carsten Schneider (SPD), fordern sie daher Maßnahmen, die für mehr Akzeptanz für das LNG-Projekt bei den Bürgerinnen und Bürgern auf Rügen sorgen sollen. Backhaus betonte, dass dies keine Ausgleichsleistungen für beispielsweise Umweltbeeinträchtigungen seien, über die in einem Genehmigungsverfahren gesondert beschieden werden müsse.

Teil des umfangreichen Maßnahmenkatalogs sind unter anderem eine Modernisierung und ein Ausbau des Hafens in Mukran. Wie Meyer ausführte, soll er über die Nutzung als Gas-Hafen hinaus für die Zukunft weiterentwickelt werden. Genannt werden unter anderem ein Modellprojekt für die Produktion und den Import von Wasserstoff, ein Glasfaseranschluss und eine Erneuerung der Gleisanlagen. Außerdem soll mit der Versorgung von Offshore-Windanlagen eine zweite Einnahmequelle geschaffen werden.

Darüber hinaus sollen die Anrainer-Kommunen beispielsweise durch günstige Strom- und Wärmeversorgung, Umweltschutzprojekte und Fördergelder profitieren. Es soll ein Zukunftsmodell für die ganze Insel entstehen. Würden alle Projekte umgesetzt, belaufe sich die Summe laut Meyer auf über eine Milliarde Euro, wobei die Hälfte allein für den Ausbau der Schienen-Infrastruktur in der Region und den besseren Anschluss nach Berlin veranschlagt wird.

Backhaus und Meyer verteidigten sich am Freitag jedoch auch energisch gegen Kritik von Umweltverbänden, allen voran der Deutschen Umwelthilfe. Diese hatte moniert, dass bei einem kürzlich in Binz veranstalteten Bürgerdialog keine Behördenvertreter des Landes anwesend waren. „Die Deutsche Umwelthilfe macht eine Veranstaltung zu einem Projekt, das in seiner Konkretheit überhaupt nicht definiert ist und verlangt dann, dass Landesbehörden dazukommen und das beurteilen - so funktioniert das nicht“, erläuterte Meyer die Ausgangslage aus Sicht der Landesregierung. Auch Backhaus machte wiederholt deutlich, dass eine eingehende Prüfung unter Einbeziehung der Verbände dann erfolgt, wenn alle nötigen Unterlagen bei den Behörden eingegangen sind. Dies sei bisher noch nicht geschehen und auch noch nicht absehbar.

Bürgerinitiativen, Umweltverbände und Touristiker laufen seit Wochen gegen die Pläne der Bundesregierung Sturm, im Hafen Mukran ein weiteres LNG-Terminal einzurichten. Dass die Versorgungssicherheit der Bundesrepublik die Interessen der Bürger vor Ort aussticht, ist für sie nicht akzeptabel, sie sehen hierdurch demokratische Prinzipien verletzt.

Der Tourismusdirektor der Gemeinde Binz, Kai Gardeja, sieht auch die Initiative der Landesminister kritisch. „Der Katalog kommt einem Ausverkauf der Insel gleich“, sagte er in einer ersten Reaktion. Sie seien nicht käuflich und lehnten das Projekt weiter ab. Auch der frisch gewählte Regional-Vertreter des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga für Rügen, Daniel Hutter, äußerte sich am Freitag ablehnend: „Die geplanten LNG-Terminals sind mit einer Industrialisierung der Urlaubsinsel Rügen gleichzusetzen. Die Branche hat sich dazu eindeutig positioniert und wird auch weiterhin standhaft bleiben“.

Wirtschaftsminister Meyer hatte zuvor betont, dass eine allein auf Tourismus ausgerichtete Wirtschaftsstruktur aus seiner Sicht schwierig sei. Es brauche auch dringend Alternativen, daher sei der Infrastrukturausbau im Hafen Mukran so wichtig. Meyer zufolge sei dessen Geschäftsmodell - das vor allem auf dem Transport von Waren nach Russland beruhe - schon länger nicht mehr funktional. Dass Rügen mehr Wirtschaftszweige brauche als nur den Tourismus, werde in der Diskussion auf der Insel oft ausgeblendet.