Greifswald (dpa/mv). Die Unterbringung von Geflüchteten sorgt auch in Greifswald für hitzige Debatten - so auch bei einer beispiellosen Sitzung der Bürgerschaft. Es gibt Applaus, Buh-Rufe und Rücktrittsforderungen. Am Ende stehen ein Beschluss und weitere Fragezeichen.

Nach einer außergewöhnlichen Sitzung der Greifswalder Bürgerschaft ist die Frage nach weiteren Unterkünften für Geflüchtete trotz eines Beschlusses weiter offen. Gemäß dem am späten Montagabend angenommenen Antrag wollen die Stadtvertreterinnen und -vertreter den Ausgang eines möglichen Bürgerentscheids berücksichtigen. Dieser könnte durch ein Bürgerbegehren zustande kommen.

Dessen Initiatoren wollen verhindern, dass die Stadt dem Landkreis weitere Flächen für Unterkünfte zur Verfügung stellt. Für die Umsetzung eines entsprechenden Bürgerentscheids haben sie nach eigenen Angaben 7000 Unterschriften gesammelt. Die Stadt prüft nach eigenen Angaben derzeit die Unterschriften. Danach müsste das Innenministerium über die Rechtmäßigkeit eines Bürgerentscheids entscheiden.

Die Greifswalder Bürgerschaft will weg von großen Gemeinschaftsunterkünften und fordert die Unterbringung von Geflüchteten vor allem in kleinen Einheiten wie Wohnungen. Der von der Mehrheit der Stadtvertreter und -vertreterinnen unterstützte Antrag stammte von den Fraktionen der SPD, der Linkspartei, der Tierschutzpartei und der Grünen. Als letztmögliche Variante sieht er vor, dass die Stadt dem Landkreis vier Grundstücke für die Unterbringung von jeweils maximal 100 Menschen anbietet.

Vorpommern-Greifswalds Landrat Michael Sack (CDU) betonte bei der Sondersitzung die Dringlichkeit der Schaffung von Unterkünften. Die Menschen kämen ohnehin, ob nun eine Unterkunft bereitstehe oder nicht. Ihm zufolge müssen im Landkreis zusätzlich 1600 Plätze geschaffen werden.

Greifswalds Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) sagte nach Ende der Sitzung: „Das ist keine einfache Situation. Das ist ganz klar für den Landkreis.“ Die Stadt habe mehrere Aufgaben bekommen. Dazu gehöre die Prüfung alternativen Wohnraums, für den Notfall gebe es aber auch das Mandat zur Errichtung von Containerunterkünften. Das Bürgerbegehren berge das Risiko, dass man am Ende keine Flächen zur Verfügung stelle oder die Umsetzung so lange dauere, dass Menschen in Turnhallen untergebracht werden müssten. „Wir versuchen alle, das zu vermeiden.“

Mit Blick auf die Sondersitzung sprach Fassbinder von einer teilweise heftigen Debatte. „Manche Passagen fand ich auch problematisch.“ Um möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern die Teilnahme zu ermöglichen, fand die Sitzung in einer Sporthalle statt. Laut Stadt kamen etwa 300 Zuschauer. Per Livestream waren zeitweise mehr als 800 Interessierte zugeschaltet.

Initiatoren des Bürgerbegehrens und andere Teilnehmer kritisierten Fassbinder in Wortmeldungen deutlich und forderten seinen Rücktritt. Sie wehrten sich gegen Rassismus-Vorwürfe. Immer wieder gab es trotz Ordnungsrufen Applaus und teils auch Buh-Rufe aus dem Publikum nach und während Redebeiträgen. Noch vor Ende verließen Zuschauer die laufende Sitzung und schimpften dabei über die Veranstaltung und die derzeitige Asyl-Politik. Laut Polizei gab es auch eine Handgreiflichkeit im Saal.

Die Einsatzkräfte hatten eine Zufahrtsstraße abgesperrt und ließen nur angemeldete Zuschauer durch. Demonstrationen neben der Halle wurden von Solidaritätsbekundungen mit Geflüchteten und Anti-Rassismus-Botschaften dominiert.

Nach Aussage einer Stadtsprecherin hat es eine derartige Sitzung in Greifswald bislang noch nicht gegeben. Wie auch andernorts bewegt die Unterbringung von Geflüchteten seit Wochen die Menschen in Greifswald. Nachdem ursprüngliche Pläne für eine Containerunterkunft mit 500 Plätzen neben einer Schule auf starken Widerstand gestoßen waren, hatten Stadt und Landkreis davon Abstand genommen.