Schwerin (dpa/mv). Wochenlang wurde heftig über den Bau eines Flüssigerdgas-Terminals vor Sellin auf Rügen gestritten. Die Pläne sind vom Tisch. Doch geht die Debatte um einen weiteren Standort in der Ostsee weiter.

Mecklenburg-Vorpommern erwartet vor einer Entscheidung des Bundes für ein weiteres Flüssigerdgas-Terminal in der Ostsee den Nachweis für einen realen Bedarf an zusätzlichen Importkapazitäten. „Zunächst geht es um eine plausible Darlegung des Bedarfs auch unter der Maßgabe der Klimaschutzziele. Denn LNG ist nicht die klimafreundlichste Form der Energiegewinnung“, sagte der SPD-Abgeordnete Heiko Miraß am Freitag im Landtag in Schwerin. Zudem forderte er Transparenz bei allen künftigen Planungen: „Die Bürger müssen wissen, was passiert und warum es passiert.“

Nach massivem Widerstand auf der Insel Rügen war die Bundesregierung von ihren Plänen abgerückt, nur fünf Kilometer vom Ostseebad Sellin entfernt ein schwimmendes Terminal für Flüssigerdgas (LNG) zu errichten. Unangekündigt hatten in der Vorwoche bereits Vorarbeiten für den Standort begonnen und neuerliche Proteste ausgelöst. Nun wird nach Alternativstandorten gesucht.

Mit dem bisherigen Handeln hätten der Bund als Auftraggeber und der Energiekonzern RWE als Auftragnehmer bereits viel Vertrauen verspielt, vor allem bei den Menschen auf Rügen, kritisierte Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD). Er erneuerte aber die Bereitschaft Mecklenburg-Vorpommerns, seinen Beitrag zur Gewährleistung einer sicheren Energieversorgung in Deutschland zu leisten. Doch müsse der Bund den Bedarf für ein zusätzliches Importterminal nachweisen, forderte auch Meyer.

Nach seinen Angabe favorisiert der Bund nun der Hafen Mukran auf Rügen. Doch würden auch Rostock und Standorte weiter entfernt von der Ostküste Rügens geprüft. Dabei müssten immer die Auswirkungen auf Natur und Umwelt sowie auf den für Rügen existenziellen Tourismus beachtet werden. „Wir werden nichts tun, was komplett gegen die Interessen Mecklenburg-Vorpommerns gehen würde“, versicherte Meyer.

Die Regierungsparteien SPD und Linke forderten in einem gemeinsam mit den Oppositionsfraktionen Grüne und FDP eingebrachten und beschlossenen Antrag die Landesregierung auf, bei der Prüfung von Alternativstandorten die Interessen des Landes, des Tourismus und der Umwelt zu wahren. Sollte ein weiteres LNG-Terminal errichtet werden, müsse die Transportleitung zur Verteilstation in Lubmin künftig auch für grünen Wasserstoff oder Ammoniak geeignet sein.

Die CDU äußerte erhebliche Zweifel daran, dass es angesichts der aktuellen Versorgungssituation überhaupt eines weiteren LNG-Terminals in der Ostsee bedarf. Es habe sich gezeigt, dass die bisherige Infrastruktur zur Versorgung ausreiche. Der Bund habe bei den Bedarfsberechnungen falsche Daten genutzt und einen zu großen Puffer veranschlagt.

„Die Frage ist berechtigt, ob ein weiteres Terminal in Mecklenburg-Vorpommern erforderlich ist“, sagte der CDU-Abgeordnete Wolfgang Waldmüller. „Egal ob Sellin oder Mukran: das Terminal vor Rügen muss gestoppt werden. Deutschland steuert mit seinen LNG-Plänen auf eine deutliche Überkapazität zu“, wurde sein Fraktionskollege Daniel Peters noch deutlicher. Der Antrag der CDU, das laufende Genehmigungsverfahren zu stoppen, fand im Landtag keine Mehrheit.

Die AfD wandte sich ebenfalls gegen die Errichtung eines weiteren Terminals. „Wir halten den Bau eines LNG-Terminals vor Rügen nicht nur für überflüssig, sondern gar für ökologisch, touristisch und wirtschaftlich unverantwortlich“, sagte die AfD-Abgeordnete Petra Federau. Sie warb dafür, mit Russland Gespräche zu führen, um wieder russisches Erdgas über die derzeit defekten Ostsee-Pipelines zu beziehen. Als Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine waren Energielieferungen aus Russland eingestellt worden.

Der FDP-Abgeordnete David Wulff mahnte „eine sachgerechte Abwägung der Belange Natur- und Artenschutz sowie Tourismus und der Sicherung der nationalen Energieversorgung und Energieunabhängigkeit Deutschlands“ an. Doch müsse die Kommunikation dringend verbessert werden. „Egal an welchem Standort: Für die Akzeptanz des Projektes ist es zentral, die Bürger mitzunehmen“, betonte er.

Auch Hannes Damm von den Grünen erhob die Forderung, alle Aspekte von Umwelt- und Artenschutz, Offshore-Windenergie und Tourismus umfassend zu prüfen, machte zugleich aber grundsätzliche Skepsis deutlich. „Nach Ansicht unserer Fraktion wird ein zusätzliches Flüssigerdgas-Terminal für die Versorgungssicherheit nicht benötigt. Bundeskanzler Olaf Scholz sollte deshalb seine Forderung nach deutlich überdimensionierten Kapazitäten zurückziehen“, sagte Damm.