Schwerin (dpa/mv). Personal fehlt an allen Ecken und Kanten. Besonders deutlich wird das in Kitas und Schulen. Das treibt auch die Bildungsgewerkschaft GEW um. Sie sieht bei der Politik in Mecklenburg-Vorpommern noch viel Handlungsbedarf.

Die Bildungsgewerkschaft GEW fordert grundlegende Reformen, um Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder in Mecklenburg-Vorpommern personell sicherzustellen. „Für uns beginnt gute Bildung bereits in der Krippe“, betonte die GEW-Landesvorsitzende Annett Lindner am Dienstag in Schwerin und forderte Geld für zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher. Zudem kritisierte sie die jüngsten Experten-Empfehlungen zur Behebung des Lehrermangels. Mit Vorschlägen etwa zur Begrenzung der Teilzeit werde die Motivation vieler Lehrer noch geschwächt, statt für die dringend notwendige höhere Attraktivität des Lehrerberufs zu sorgen.

Lindner erneuerte die Gewerkschaftsforderung nach einem landesweit einheitlichen Mindestpersonalschlüssel für den Kita-Bereich. Das Land müsse nach Jahren der Diskussion endlich verbindliche Vorgaben machen. „Es kann nicht sein, dass Landkreise weiterhin die Personalausstattung nach jeweiliger Kassenlage festlegen“, sagte Lindner. Sie verwies auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Greifswald, demzufolge die bisher geübte Praxis rechtswidrig sei.

„Es besteht dringender Handlungsbedarf“, mahnte Lindner. Kaum eine Kita im Land verfüge über ausreichend Stellen, um auch bei Krankheit oder Urlaub eine qualitätsgerechte Betreuung sicherstellen zu können. Das sei aber im Interesse der Kinder dringend geboten. In einem nächsten Schritt gelte es, die Betreuer-Kind-Relation zu verbessern.

Im Ländervergleich liegt Mecklenburg-Vorpommern bei den regelmäßig von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichten Studien immer weit hinten. Statt 15 Kinder je Erzieherin oder Erzieher in der Kita hält die GEW 8 für erstrebenswert. Lindner kritisierte, dass das Land bei der jüngsten Reform des Kita-Gesetzes gegen den Rat der Fachleute zusätzliches Geld nur zur Abschaffung der Elternbeiträge eingesetzt habe und nicht zur Verbesserung der Betreuungsqualität.

Kritisch bewertete Lindner auch die Personalsituation an den Schulen. Die in der Vorwoche von der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz veröffentlichten Empfehlungen würden die Lage aus ihrer Sicht eher noch verschärfen als lindern. Im Zentrum der Kritik stehen Vorschläge zur Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung und Beschränkung von Teilzeitbeschäftigung. „Da wird eine höhere Belastung der Lehrer vorgeschlagen, und wenige Zeilen darunter kommen Hinweise zu Gesundheitsförderung und Mental-Training. Das passt nicht. Viele Lehrer arbeiten längst am Anschlag“, sagte die GEW-Vorsitzende.

Lindner äußerte die Befürchtung, dass mit einer Erhöhung der Stundenzahl die Attraktivität des Lehrerberufs weiter geschmälert wird und es damit noch schwerer wird, Berufsnachwuchs zu finden. Sie kündigte intensive Verhandlungen mit der Landesregierung an mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. So solle die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden, die im Bundesvergleich die höchste sei, reduziert werden. Die Nutzung sogenannter Arbeitszeitkonten, auf denen Mehrarbeit langfristig angespart und in späteren Jahren für kürzere Arbeitszeiten oder einen vorzeitigen Ruhestand eingesetzt werden kann, sei ein weiterer wesentlicher Punkt.

In Mecklenburg-Vorpommern scheiden bis 2030 etwa 7000 der aktuell rund 12 000 Lehrerinnen und Lehrer altersbedingt aus dem Schuldienst aus. Schon in den vergangenen Jahren konnten die Stellen oft nur mit Fachleuten ohne pädagogische Vorbildung besetzt werden. Im vorigen Schuljahr war bereits jede dritte Neueinstellung ein solcher Seiteneinsteiger.

Die Chefin der Linksfraktion im Landtag, Jeannine Rösler, nannte die zentralen Forderungen der GEW berechtigt. Doch habe die rot-rote Landesregierung die Umsetzung bereits in Angriff genommen und richte alle Anstrengungen darauf, mehr Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen. „Es ist bereits gelungen, deutlich mehr Lehrkräfte einzustellen“, sagte Rösler. Auch sie erteilte wesentlichen Empfehlungen der Experten-Kommission eine Abfuhr. „So wären eine Anhebung der Unterrichtsverpflichtung, eine Beschränkung der Teilzeitregelung oder größere Klassen kontraproduktiv“, urteilte sie. Auch wenn noch Herausforderungen zu bewältigen seien, sei das Land aber doch auf gutem Weg, für mehr Qualität in Schulen und Kitas zu sorgen.

Kritik am Handeln der Regierung kam erneut von der Opposition. „Die bereits jetzt gravierenden Leistungsdefizite unserer Schüler ließen sich nur durch gut ausgebildete Lehrer ausgleichen, die sich voll und ganz auf Unterricht konzentrieren können“, erklärte der AfD-Abgeordnete Enrico Schult. Doch klagten viele Lehrer über unterrichtsfremde Beanspruchungen etwa durch bürokratischen Aufwand im Zuge der Inklusion. „Für die nachhaltige Behebung des Lehrermangels präferieren wir weiterhin die Gründung einer pädagogischen Hochschule, an der Lehramtsstudenten ohne akademische Überfrachtungen gezielt und praxisnah auf ihre spätere Tätigkeit vorbereitet werden“, sagte Schult.

Der CDU-Abgeordnete Torsten Renz sieht Forderungen seiner Partei von der GEW mitgetragen. „Damit rückt die Einführung von Lehrerarbeitszeitenkonten in Mecklenburg-Vorpommern hoffentlich näher“, sagte er. Doch seien solche Konten nur ein erster Schritt, „um die im Bundesvergleich erhebliche Überbelastung der Lehrkräfte in MV langfristig zu mindern“.