Kiel/Schwerin (dpa/mv). Aufgrund des Fachkräftemangels prognostiziert die Arbeitsagentur für einen höheren Bedarf an flexiblen Generalisten. Bei der Ausbildung zähle dann weniger das Was, sondern das Ob.

Die Agentur für Arbeit im Norden geht von einer grundlegenden Veränderung des Bedarfs auf dem Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren aus. „Es kommt zunehmend weniger darauf an, was sie gelernt haben, sondern dass sie gelernt haben“, sagte der Chef der Regionaldirektion Nord, Markus Biercher, am Dienstag. Dies sei unter anderem die Folge des Ausscheidens der Babyboomer-Jahrgänge in den kommenden Jahren.

Er sieht daher einen höheren Bedarf an nicht fachspezifischen Kompetenzen und der Bereitschaft, zwischen verschiedenen Rollen zu wechseln. „Im akademischen Bereich merkt man das schon. Seit einigen Jahren ist es egal, ob sie Sozialwissenschaftler, Geisteswissenschaftler, Naturwissenschaftler sind.“ Man werde gute Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt haben.

Zum Jahresstart stieg die Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern der Arbeitsagentur zufolge saisonbedingt. 67 200 Menschen waren ohne Job und damit 8 Prozent mehr als im Vorjahr und 8,4 Prozent mehr als im Dezember. Dies wird mit den gesunkenen Gästezahlen im Tourismus und saisonalen Auftragsrückgängen im Wohnungs-, Straßen- und Gartenbau in Verbindung gebracht.

Hinzu kommt laut Biercher auf Jahressicht der Übergang der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer in die Grundsicherung. Seit Mitte 2022 beziehen sie Hartz IV, das jetzt Bürgergeld heißt, und werden damit im Arbeitsmarktsystem erfasst. Zurzeit sind 4600 Ukrainer arbeitslos gemeldet. Im Januar 2022 lag ihre Zahl bei 220.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sank den jüngsten Daten vom November zufolge mit 583 500 zum Vorjahresmonat um 0,3 Prozent. Rückgänge gab es im verarbeitenden Gewerbe, den wirtschaftlichen Dienstleistungen und am Bau. Eingestellt wurde unter anderem im Gesundheitswesen und der Verwaltung.

Bezogen auf die saisonalen Schwankungen - besonders im Tourismus - hält es der Behördenchef nicht für ausgeschlossen, dass weniger Menschen in ihre alten Jobs zurückkehren. Dieser Effekt war in der Pandemie spürbar und könnte sich durch den Fachkräftemangel in allen Branchen wiederholen. Die Gastronomen und Hoteliers haben nach seinen Worten reagiert und versuchen zusehends, ganzjährige Beschäftigungsverhältnisse anzubieten.

Auch Arbeitsminister Reinhard Meyer sieht es als wichtig an, dass Personal auch in Saisonjobs gehalten wird. „Die Attraktivität der Arbeitgeber wächst, wenn mehr ganzjährige Jobs auf dem Markt zur Verfügung stehen.“ Die Arbeitgeber sollen die kühleren Monate für Qualifizierung nutzen. So könne Fachwissen in den Betrieben gehalten werden, sagte Meyer.

Mit Blick auf den kommenden Abiturjahrgang appellierte Biercher an Schüler, neben dem Studium auch Ausbildungsberufe als Option wahrzunehmen. „So werden in Mecklenburg-Vorpommern in den nächsten Jahren mehrere Tausend Betriebsinhaber eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger suchen“, sagte er. Die Entwicklungs- und Karrierechancen in diesen Berufen seien nicht immer bekannt.