Schwerin/Wiesbaden (dpa/mv). Als Reaktion auf die coronabedingten Lerndefizite waren im Schuljahr 2020/2021 die Versetzungsbedingungen drastisch gelockert worden. Nun gelten wieder die alten Regeln. Mit spürbaren Folgen.

In keinem anderen Bundesland bleiben so viele Schüler sitzen wie in Mecklenburg-Vorpommern. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Montag mitteilte, wurden im Schuljahr 2021/2022 im Nordosten 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht versetzt oder wiederholten eine Klassenstufe freiwillig. Im bundesweiten Durchschnitt war der Anteil mit 2,4 Prozent nur halb so hoch. Am niedrigsten fiel die Quote mit 1,2 Prozent in Berlin aus.

„Nach veränderten Versetzungsregelungen im ersten Schuljahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie haben im Schuljahr 2021/2022 wieder deutlich mehr Kinder und Jugendliche eine Klassenstufe wiederholt“, konstatierte das Statistische Bundesamt. Bundesweit hätten 155 800 Schülerinnen und Schüler entweder freiwillig wiederholt oder seien nicht versetzt worden. Das waren 67 Prozent mehr als im Corona-Schuljahr 2020/2021 und 8 Prozent mehr als im Schuljahr 2019/2020, als noch keine Sonderregeln galten.

In Mecklenburg-Vorpommern betraf dies im vorigen Schuljahr 5800 Kinder und Jugendliche. Der Zuwachs an Sitzenbleibern im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit fiel im Nordosten dabei besonders deutlich aus. Im Schuljahr 2019/2020 hatte Bayern mit einer Quote von 3,8 Prozent noch vor Mecklenburg-Vorpommern (3,1) gelegen.

Nach Angaben von Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) waren im Schuljahr 2020/2021 in Absprache mit dem „Bündnis für Gute Schule“ alle Versetzungsbestimmungen außer Kraft gesetzt worden. „Das war natürlich richtig, weil keiner Schülerin und keinem Schüler durch die Auswirkungen der Pandemie und die langwierigen Schulschließungen unverschuldet ein Nachteil entstehen sollte“, betonte die Ministerin.

Allerdings hätten damit auch Schüler, die schon vor der Pandemie Schwierigkeit hatten, das Klassenziel erreicht, die sonst nicht versetzt worden wären. Bei diesen Kindern und Jugendlichen hätten sich die bestehenden Defizite nun häufig noch verstärkt, weil sie dem Leistungsniveau in der höheren Jahrgangsstufe nicht entsprechen konnten. Die Ausnahmeregelungen würden nun aber nicht mehr gelten. „Folgerichtig können die Kinder und Jugendlichen, die die Leistungen nicht erbringen, nicht versetzt werden“, argumentierte Oldenburg. Sie müssten in der bisherigen Klassenstufe so gefördert werden, dass sie das Klassenziel erreichen.

Die Opposition im Schweriner Landtag nahm die jetzt veröffentlichten Daten zum Anlass, die Bildungspolitik von Rot-Rot erneut zu kritisieren. „Mecklenburg-Vorpommern verharrt nicht mehr nur im Stillstand, inzwischen geht es abwärts“, konstatierte der CDU-Abgeordnete Torsten Renz. Er warf Oldenburg vor, die bedenklichen Entwicklungen auszublenden und unzureichend zu reagieren. „Die Bildungsministerin sollte jetzt endlich die rosarote Brille abnehmen“, mahnte er.

Der AfD-Politiker Enrico Schult nannte eine nach seiner Meinung „überzogene Corona-Politik der Landesregierung“ als wesentlichen Grund für die vergleichsweise vielen Klassenwiederholungen. Mecklenburg-Vorpommern habe besonders strenge Regelungen getroffen und unnötige Schulschließungen verfügt. „Das Ergebnis sehen wir jetzt“, sagte Schult. Auch das Programm „Aufholen nach Corona“ habe offenbar nicht gehalten, was man sich davon versprochen habe.