Schwerin (dpa/mv). Die hohen Energiepreise setzen Wirtschaft und Konsumenten immer mehr zu. Fachleute befürchten, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland schrumpft. Für das erste Halbjahr 2022 fällt die Bilanz in Mecklenburg-Vorpommern indes überraschend positiv aus.

Ungeachtet der weltweiten Turbulenzen wegen des Ukraine-Krieges hat die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern im ersten Halbjahr kräftig zugelegt. Wie das Statistische Amt in Schwerin am Freitag unter Berufung auf vorläufige Berechnungen mitteilte, stieg das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum preisbereinigt um 5,2 Prozent. Damit verzeichnete Mecklenburg-Vorpommern nach Rheinland-Pfalz (+6,4) den zweithöchsten Anstieg aller Bundesländer. In Deutschland legte das Bruttoinlandsprodukt, mit dem die volkswirtschaftliche Gesamtleistung ausgedrückt wird, im ersten Halbjahr um 2,8 Prozent zu.

Nach Analysen des Statistischen Amtes basiert das Wachstum in Mecklenburg-Vorpommern vor allem auf einer Erholung im Gastgewerbe. Die für den Nordosten strukturbestimmende Branche hatte Anfang 2021 als Folge des Corona-Lockdowns einen dramatischen Einbruch erlebt, danach aber wieder kräftig zugelegt.

Auch das produzierende Gewerbe trug laut Statistikamt zum Aufschwung bei, auch wenn mit dem Schiffbau eine tragende Säule zu großen Teilen weggebrochen ist. Mit der Inbetriebnahme neuer Solarparks und leistungsfähigerer Windturbinen sei die Wertschöpfung im Energiesektor deutlich gewachsen, teilte das Statistikamt auf Nachfrage mit. In der lange florierenden Bauwirtschaft hingegen habe es vor allem wegen stockender Materiallieferungen einen Rückgang gegeben.

Nach dem Corona-Schock von 2020, als das Bruttoinlandsprodukt im Nordosten pandemiebedingt um 3,7 Prozent eingebrochen war, hatte es im vergangenen Jahr mit 1,7 Prozent wieder ein leichtes Plus gegeben. Laut Statistik wurden 49,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Damit trug Mecklenburg-Vorpommern aber lediglich 1,4 Prozent zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung Deutschlands bei.

Für die Berechnungen des Arbeitskreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen werden laut Margit Herrmann vom Statistikamt zur besseren Vergleichbarkeit die Material- und Energiepreise des Vorjahres herangezogen. Ohne diese Preisbereinigung und bei Heranziehung realer Preise ergäbe sich eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts in Mecklenburg-Vorpommern um 13,1 Prozent.

Trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Bedingungen habe sich die deutsche Wirtschaft in den ersten beiden Quartalen 2022 behauptet, hatte Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes, jüngst erklärt. Nach Einschätzung von Ökonomen stehen der deutschen Wirtschaft angesichts der Gaskrise aber harte Monate bevor. Dem Ifo-Institut zufolge wird der private Konsum wegen der steigenden Verbraucherpreise im weiteren Jahresverlauf als Konjunkturmotor ausfallen. Die Deutsche Bundesbank hält eine sinkende Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr inzwischen für «deutlich wahrscheinlicher».