Neubrandenburg/Schwerin (dpa/mv). Sehr kleine Frühchen unter 1250 Gramm dürfen laut AOK ab dem kommenden Jahr nicht mehr am Friedrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg behandelt werden. Das hat einen Sturm der Entrüstung im Nordosten entfacht.

Das Verbot der Behandlung sehr kleiner Frühchen mit weniger als 1250 Gramm Geburtsgewicht am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg hat in der Landesregierung heftige Kritik hervorgerufen. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig twitterte am Freitag: «Die Frühchenstation in Neubrandenburg #MV leistet seit Jahren gute Arbeit. Die Regelung, nur Masse schafft Klasse, ist falsch. Es kommt auf die Qualität vor Ort an. Dazu gehört in einem Flächenland die wohnortnahe Behandlung von Kindern. Das müssen Kassen im Blick behalten.»

Die AOK Nordost hatte am Donnerstag über die Entscheidung der Fachkommission der Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen in Mecklenburg-Vorpommern informiert. Die Behandlungszahlen in Neubrandenburg seien zu gering, um die notwendige Qualität sicherzustellen, hieß es zur Begründung. Im kommenden Jahr gilt den Angaben zufolge eine Untergrenze von 20 Behandlungsfällen. Ab 2024 liege die Untergrenze bei 25. In Neubrandenburg seien es im vergangenen Jahr nur sieben gewesen.

Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) will das ab 2023 geplante Aus noch verhindern. Das Gesundheitsministerium strebe für 2023 eine Ausnahmegenehmigung für das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum an, erklärte die Ministerin. Der Antrag sei bei den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen in Mecklenburg-Vorpommern gestellt. Deren Stellungnahme liege aber noch nicht vor. Wenn dies vorliege, werde das Ministerium mit den Kassen sprechen, um «das gesetzlich erforderliche Einvernehmen über eine Ausnahmegenehmigung zu erreichen.»

Eine Zusage für die Behandlung solch kleiner Frühchen haben demnach in MV die Helios Kliniken Schwerin und das Südstadtklinikum Rostock bekommen. Auch die Uniklinik Greifswald bekam eine Zusage. Es blieb aber unklar, ob dies nur für ein Jahr gilt. Für 2023 gelten 20 solcher Frühchen-Behandlungsfälle pro Klinik laut Fachkommission als Untergrenze, ab 2024 sollen es 25 Fälle sein. In Neubrandenburg wurden seit 2012 zwischen 20 und 5 Fälle pro Jahr behandelt. In Greifswald waren es zuletzt 20 Fälle im Jahr.

Neubrandenburgs Oberbürgermeister Silvio Witt (parteilos) hatte die Entscheidung scharf kritisiert. «Das ist für mich rücksichtslos», sagte Witt mit Blick auf die Medizin-Versorgung im ländlichen Raum. Auch die Erreichbarkeit der Häuser müsse berücksichtigt werden. Das Neubrandenburger Krankenhaus versorgt Patienten aus der Mecklenburgischen Seenplatte und der brandenburgischen Uckermark. Allein die Seenplatte ist doppelt so groß wie das gesamte Saarland.

Auch die Krankenhausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern übte Kritik. «Wir müssen davon ausgehen, dass die AOK Nordost im Alleingang aus Berlin versucht, Tatsachen für unser Bundesland per Akklamation zu schaffen, die sich allein an ihren Interessen orientieren, und zwar ohne dass zuvor die zuständigen Gremien darüber abschließend beraten haben», erklärte Geschäftsführer Uwe Borchmann. «Wir wissen, dass die Auffassung der Beteiligten, auch der Krankenkassen im Bundesland hier, sehr differenziert und keinesfalls abschließend geprägt ist.»