Schwerin (dpa/mv). Ökostrom aus Wind soll die Abhängigkeit Deutschlands von Gas- und Ölimporten drastisch verringern und mit für stabile Energiepreise sorgen. Dazu soll der Bau neuer Windräder beschleunigt werden. Doch Mecklenburg-Vorpommern hinkt bei der Flächenausweisung hinterher.

Anders als Schleswig-Holstein will Mecklenburg-Vorpommern die Planungen für einen Windkraftausbau nicht zentralisieren. Auch wenn drei der vier regionalen Planungsverbände bislang keine neuen Gebiete für Windparks ausgewiesen hätten, solle die Zuständigkeit dort bleiben, sagte Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) am Donnerstag im Landtag in Schwerin. Doch mahnte er mehr Tempo an. «Zehn Jahre können wir uns nicht mehr leisten», betonte Meyer unter Hinweis auf die Bestrebungen Deutschlands, die Ökostrom-Produktion massiv hochzufahren, um unabhängig von Energieimporten etwa aus Russland zu werden.

Der Grünen-Abgeordnete Hannes Damm verwies in der Debatte auf das Vorgehen im Nachbarland Schleswig-Holstein. Dort habe das Land die Planungen in die eigene Hand genommen und innerhalb von vier Jahren das Flächenziel von 2 Prozent erreicht. «Bei der aktuellen Geschwindigkeit erreichen wir die gesteckten Ziele nicht», sagte Damm. Zu den bisherigen Verzögerungen habe auch das Fehlen einer klaren Führung durch das Land geführt.

Seit 2011 wird in den Regionen Mecklenburg-Vorpommerns um die Ausweisung neuer Gebiete gerungen. Als erster hatte der Planungsverband Rostock im Vorjahr Gebietsvorschläge für neue Windräder gemacht. Nach Vorgabe des Bundes sollen bis 2027 in Mecklenburg-Vorpommern 1,4 Prozent der Landesfläche für Windparks ausgewiesen sein, bis 2032 2,1 Prozent. Derzeit sind es 0,6 Prozent.

Während die AfD ihre grundsätzliche Ablehnung der Windstrom-Gewinnung bekräftigte, mahnten Sprecher anderer Fraktionen an, die Akzeptanz der Windräder zu erhöhen, indem betroffene Kommunen und Bürger davon direkt profitierten. Die Bedenken der Menschen müssten ernst genommen werden. Meyer verwies auf das bereits bestehende Beteiligungsgesetz und sicherte zu, in Mecklenburg-Vorpommern am Mindestabstand der Windräder zu Siedlungen von 1000 Metern festzuhalten.

Trotz klarer Signale des Bundes für einen beschleunigten Ausbau der Windkraft-Nutzung kommt der Bau neuer Windräder in Mecklenburg-Vorpommern nur schleppend voran. Wie aus Erhebungen der Deutschen WindGuard hervorgeht, gingen im Nordosten im ersten Halbjahr 2022 acht Windenergieanlagen neu ans Netz. In den ersten sechs Monaten der Jahre 2010 bis 2018 seien es im Durchschnitt 32 und damit vier Mal so viele gewesen. Auch die Erteilung von Baugenehmigungen hinkt weit hinter früheren Zahlen her. Lediglich 16 neue Anlagen wurden den Angaben zufolge im Nordosten bewilligt, ein Drittel vergangener Jahre.

In einer weiteren Debatte am Vormittag hatten die Grünen die für Verbraucher im Norden nachteilige Bemessung der Strom-Netzentgelte angeprangert und rasche Änderungen angemahnt. Nach Angaben des Grünen-Abgeordneten Hannes Damm liegen die Netzentgelte für Haushaltskunden in Mecklenburg-Vorpommern etwa 1 Cent über dem Bundesdurchschnitt von 7,5 Cent je Kilowattstunde. «Für einen Haushalt in MV mit durchschnittlichem Verbrauch bedeutet das eine Mehrbelastung von bis zu 100 Euro im Jahr», sagte Damm. Solche Ungleichheiten seien alles andere als fair und setzten auch falsche Anreize für Wirtschaftsansiedlungen in Regionen mit niedrigen Netzentgelten und geringen Erzeugerkapazitäten.

Obwohl auch die Regierungsfraktionen von SPD und Linke eine bundesweit einheitliche Gebührenhöhe für Verteilnetze fordern, fand der Grünen-Antrag keine Mehrheit. «Wir sind da schon längst unterwegs», sagte Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD). Nach seinen Angaben scheiterte eine Verständigung bislang am Widerstand der Süd- und Westländer, in denen niedrigere Entgelte gelten. Deshalb könne nur mit Hilfe des Bundes eine Neuregelung durchgesetzt werden.

«Die regionalen Verteilnetze und deren Kosten sind ein großes Problem der Energiewende in Mecklenburg-Vorpommern. Wir können den Menschen nicht erklären, dass wir durch den Ausbau der erneuerbaren Energien einen großen Beitrag zur Energiewende leisten, aber die höchsten Stromkosten haben. Das ist ein grundsätzliches Akzeptanzproblem», sagte Meyer. Das Thema werde daher auch bei der Fachministerkonferenz in der kommenden Woche eine Rolle spielen.