Neubrandenburg. Im Januar 2019 starb die sechsjährige Leonie in Torgelow. Ihr Stiefvater hatte sie massiv misshandelt und das als «Treppensturz» dargestellt. Der Mann bekam lebenslänglich. Die Mutter, die nicht rechtzeitig für Hilfe, aber für Aufklärung sorgte, erhält nun eine Bewährungsstrafe.

Die juristische Aufarbeitung des Todes der sechsjährigen Leonie aus Torgelow in Mecklenburg-Vorpommern scheint nach dreieinhalb Jahren beendet. Nachdem der Stiefvater unter großem öffentlichen Interesse rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, bleibt die Mutter nun doch auf freiem Fuß. Das hat das Landgericht Neubrandenburg am Mittwoch festgelegt.

Die Berufungskammer setzte die zweijährige Haftstrafe, die wegen fahrlässiger Tötung gegen die 27 Jahre alte Frau verhängt worden war, in einem Berufungsverfahren zur Bewährung aus. Als Hauptgründe nannte Richter Jochen Unterlöhner den großen Aufklärungsbeitrag, den die Mutter in den Prozessen gegen den Stiefvater geleistet habe, und die Stabilisierung ihrer familiären Verhältnisse. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Staatsanwalt und Verteidigerin hatten die Aussetzung zur Bewährung gefordert. Nur der Nebenkläger plädierte auf die Verbüßung der Haft.

«Wir wollten die positive Entwicklung der Frau und ihres vierjährigen Kindes nicht stoppen», sagte der Richter in der Begründung mit Blick auf die Zeit nach dem Tod von Leonie. Unterlöhner war schon im ersten Prozess gegen den Stiefvater der Vorsitzende Richter, kannte den Fall also schon lange. «Ohne sie hätten wir den Stiefvater damals nicht wegen eines Tötungsdeliktes verurteilen können», erklärte der erfahrene Richter.

Die Mutter war damals die Hauptzeugin der Staatsanwaltschaft und hatte von «einem diktatorischen und gewalttätigen Regime durch den damaligen Partner berichtet», wie der Richter schilderte.

Die sechs Jahre alte Leonie war am 12. Januar 2019 tot in der Wohnung der fünfköpfigen Familie in Torgelow gefunden worden. Der Stiefvater hatte das Mädchen und auch deren kleineren Bruder damals mehrfach schwer misshandelt. Als die Mutter am 12. Januar 2019 unterwegs war, hatte er erneut zugeschlagen und das Ganze später als Treppensturz darzustellen versucht. Obwohl die Mutter nach ihrer Rückkehr den Zustand ihres Mädchens sah und medizinische Hilfe forderte, verhinderte der Stiefvater dies über Stunden. So versteckte er das Handy der Frau, bedrohte sie und täuschte einen Anruf bei der Rettungsstelle vor.

Als die Retter am Abend kamen, war es zu spät. Jegliche Wiederbelebungsversuche scheiterten. Der Stiefvater sitzt wegen Mordes durch Unterlassen lebenslang hinter Gittern. Der Mutter wurde vorgeworfen, auch schon in den Tagen zuvor nicht rechtzeitig Hilfe geholt zu haben.

Sie war wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen im Dezember 2021 vom Amtsgericht Neubrandenburg zu zwei Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Gegen das Urteil hatte sie Berufung eingelegt. Kurz vor Beginn des Berufungsprozesses erkannte die Verteidigerin die Verurteilung aber an und begrenzte die Berufung nur auf das Strafmaß.

Nach dem Tod von Leonie war deren Bruder, der inzwischen vier Jahre alt ist, wieder zu seinem leiblichen Vater gekommen. Dieser trat in allen Prozessen als Nebenkläger auf. Die Mutter lebte seither mit dem Kind, dass sie von dem verurteilten Mann hat, in unterschiedlichen Einrichtungen unter Aufsicht des Jugendamtes. Mit der Bewährung könne sich die Frau nun wieder eine eigene Wohnung und eine Arbeit suchen, erläuterte der Richter. Das Kind gehe regelmäßig und gut versorgt in eine Kita.

Sie bekomme noch einen Bewährungshelfer zugeordnet und müsse jeden Wohnsitzwechsel anzeigen. Trotz der Bewährung gelte die Mutter nun als vorbestraft. «Mit dem Tod ihrer Tochter muss sie bis ans Lebensende klarkommen», sagte Unterlöhner.